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Das schwarze Haus - King, S: Schwarze Haus

Titel: Das schwarze Haus - King, S: Schwarze Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Stephen;Straub King
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Lerche. Hallo.«
    Manchmal kann der Geruch von Blut wirklich einem Lachen gleichen.
     
    Was ist das hier am Ende der Nailhouse Row? Eine Horde, ein Schwarm von dicken, summenden Wesen, die Jack Sawyer umkreisen, auf ihn herabstoßen und bei letztem Tageslicht irgendwie illuminiert wirken – wie die farbig geschmückten Seiten einer alten Bibelhandschrift. Sie sind zu klein, um Kolibris zu sein, und scheinen von innen heraus zu leuchten, während
sie durcheinander schwirren. Wären sie Wespen, befände Jack Sawyer sich jetzt in ernster Gefahr. Aber sie stechen nicht; ihre runden Leiber streifen ihn an Gesicht und Händen und stoßen sanft gegen seinen Körper, wie eine Katze ans Bein ihres Herrchens stupst und so gleichermaßen Trost spendet und empfängt.
    Im Augenblick spenden sie weit mehr Trost, als sie empfangen, und selbst Jack kann sich nicht erklären, warum das so ist. Die ihn umgebenden Wesen sind keine Wespen, Kolibris oder Katzen, es sind Bienen, Honigbienen, und normalerweise hätte er Angst, wenn er in einen Bienenschwarm geriete. Vor allem, wenn sie einer Art Herrenrasse unter den Bienen anzugehören schienen: außergewöhnlich große Superbienen, ihre Goldtöne goldener, ihr Schwarz leuchtender schwarz. Trotzdem empfindet Jack keine Angst. Wollten sie ihn stechen, hätten sie es längst getan. Und er hat von Anfang an begriffen, dass sie ihm nichts Böses wollen. Die Berührung ihrer vielen Leiber ist überraschend sanft und weich; ihr massenhaftes Summen ist leise und harmonisch, friedvoll wie ein protestantisches Kirchenlied. Nach den ersten paar Sekunden lässt Jack sie einfach gewähren.
    Die Bienen drängen noch näher heran, und ihr leises Summen pulsiert in seinen Ohren. Es klingt, als sprächen oder sängen sie halb laut. Sekundenlang sieht er nur ein dicht gewobenes Netz aus Bienen, das sich mal hierhin, mal dorthin bewegt; dann lassen die Bienen sich überall auf ihm nieder und sparen nur das Oval seines Gesichts aus. Sie bedecken seinen Kopf wie ein Helm. Arme, Brust, Rücken, Beine verschwinden unter einer Schicht Insekten. Bienen setzen sich auf seine Schuhe und machen sie unsichtbar. Trotz ihrer großen Zahl sind sie fast gewichtslos. Die ungeschützten Teile von Jacks Körper, seine Hände und sein Nacken, fühlen sich an wie mit Kaschmirwolle bedeckt. Jack Sawyer ist von Kopf bis Fuß mit einem dichten, federleichten, schwarz-golden leuchtenden Bienengewand bedeckt. Er hebt die Arme, und die Bienen bewegen sich mit ihm.
    Jack kennt Fotos, auf denen Imker mit Hunderten von Bienen besetzt sind, aber das hier ist kein Foto, und er ist kein Imker.
Vor Verwunderung – in Wirklichkeit vor reiner Freude über diese unerwartete Heimsuchung – ist er wie betäubt. Solange die Bienen auf ihm sitzen, vergisst er den grausigen Tod von Mouse und die Furcht erregende Aufgabe, die ihn morgen erwartet. Nicht dagegen vergisst er Sophie; er wünscht sich, Beezer und Doc würden ins Freie kommen, um diese Erscheinung sehen zu können, aber noch mehr wünscht er sich, Sophie könnte sie sehen. Vielleicht tut sie das ja durch die Gnade des d’yambas . Irgendjemand tröstet Jack Sawyer; irgendjemand wünscht ihm Gutes. Eine liebevolle, unsichtbare Erscheinung bietet ihm Unterstützung. Sie fühlt sich wie ein Segen an, diese Unterstützung. In seinem leuchtenden schwarz-goldenen Bienengewand hat Jack das Gefühl, fliegen zu können, wenn er nur einen Schritt in Richtung Himmel machte. Die Bienen würden ihn über die Täler tragen. Sie würden ihn über die zerklüfteten Hügel tragen. Wie die fliegenden Männer in den Territorien, die Sophie zu dem Treffen mit ihm gebracht haben, würde er fliegen können. Statt wie sie zwei Flügel zu besitzen, würde er von tausend Flügelpaaren durch die Luft getragen werden.
    In unserer Welt, das fällt Jack jetzt ein, kehren Bienen in ihren Stock zurück, bevor es Nacht wird. Als hätte etwas sie an ihre Alltagspflichten erinnert, verlassen die Bienen Jacks Kopf, seinen Körper, seine Arme und Beine – nicht wie ein lebender Teppich alle auf einmal, sondern einzeln und in kleinen Gruppen -, steigen über ihm in die Höhe, wenden sich dann ab, schießen pfeilschnell nach Osten über die Hausdächer auf der dem Fluss abgewandten Seite der Nailhouse Row davon und verschwinden sämtlich in derselben nachtdunklen Unendlichkeit. Auf ihr friedliches Summen wird Jack erst richtig aufmerksam, als es mit ihnen verschwindet.
    In den Sekunden, bevor er weiter zu seinem

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