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Das schwarze Haus - King, S: Schwarze Haus

Titel: Das schwarze Haus - King, S: Schwarze Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Stephen;Straub King
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Pickup gehen kann, hat er das Gefühl, jemand wache über ihn. Er fühlt sich … wie? Der richtige Ausdruck fällt ihm erst ein, als er den Zündschlüssel des Wagens umdreht und mit dem Gaspedal pumpt: Er ist umarmt worden.
    Jack ahnt nicht, wie sehr er die Wärme dieser Umarmung brauchen wird; er ahnt auch nicht, auf welche Weise sie ihm in der kommenden Nacht erneut zuteil werden wird.

    Vor allem ist Jack erschöpft. Hinter ihm liegt ein Tag von der Art, der mit einem surrealen Erlebnis wie einer Umarmung durch einen Bienenschwarm enden sollte : Sophie, Wendell Green, Judy Marshall, Parkus – dieser Kataklysmus, diese Überflutung! – und Mouse Baumanns grausiger Tod … alle diese Dinge haben ihn angespannt, nach Atem ringend zurückgelassen. Sein ganzer Körper sehnt sich nach Ruhe. Als er French Landing hinter sich lässt und ins weite, dunkle Land hinausfährt, ist er versucht, am Straßenrand zu halten und ein halbstündiges Nickerchen einzulegen. Die herabsinkende Nacht verspricht erfrischenden Schlaf, aber das ist eben das Problem: Er könnte die Nacht unabsichtlich in seinem Pickup verschlafen, und an einem Tag, an dem er in Hochform sein muss, triefäugig und arthritisch aufwachen.
    Gegenwärtig ist er nicht in Hochform – bei weitem nicht, wie sein Vater Phil Sawyer zu sagen pflegte. Im Augenblick ist sein Tank so leer, dass er nur noch mit Benzindämpfen läuft – ein weiterer von Phil Sawyers Lieblingsausdrücken -, aber er denkt, dass er lange genug wach bleiben kann, um Henry Leyden zu besuchen. Vielleicht hat Henry mit dem Kerl von ESPN einen Deal abgeschlossen – vielleicht vervielfacht Henry damit die Zahl seiner Hörer und verdient viel mehr Geld. Henry braucht keineswegs mehr Geld, als er bereits hat, sein Leben scheint auch so makellos zu funktionieren, aber Jack gefällt die Vorstellung, sein lieber Freund Henry könnte plötzlich in Geld schwimmen. Ein Henry, der zusätzliches Geld mit vollen Händen ausgeben kann, ist ein Henry, den Jack liebend gern sehen würde. Wenn man sich vorstellt, wie wundervoll er sich kleiden könnte! Jack malt sich aus, wie er mit Henry nach New York reist, sich mit ihm in einem hübschen Hotel einquartiert, etwa dem Carlyle oder dem St. Regis, ihn zu einem halben Dutzend der besten Herrenausstatter begleitet und ihm auswählen hilft, wonach ihm der Sinn steht.
    Fast alles sieht gut aus, wenn Henry es trägt. Er scheint alle Kleidungsstücke unabhängig von ihrer Machart zu ihrem Vorteil zu verändern, aber er hat dennoch bestimmte, eigenwillige Vorlieben. Henry bevorzugt eine bestimmte klassische, sogar altmodische Eleganz. Er kleidet sich oft in Nadelstreifen, Schottenkaros,
Tweed mit Fischgrätenmuster. Er mag Baumwolle, Leinen und Wolle. Er trägt manchmal Fliegen, Schals und Ziertaschentücher, die aus seiner Brusttasche hervorquellen. Seine Füße stecken in Slippern, Budapestern Oxford-Schuhen oder niedrigen Stiefeln aus weichem Leder. Er trägt niemals Turnschuhe oder Jeans, und Jack hat ihn auch noch nie in einem bedruckten T-Shirt gesehen. Deshalb stellt sich die Frage: Wie konnte ein von Geburt an Blinder einen so spezifischen Geschmack in Bezug auf seine Kleidung entwickeln?
    Ach, sagt sich Jack, das war seine Mutter. Natürlich! Seinen Geschmack hat er von seiner Mutter.
    Aus irgendeinem Grund droht diese Erkenntnis, Jack Tränen in die Augen zu treiben. Du wirst immer rührselig, wenn du so erschöpft bist, sagt er sich. Pass auf, sonst flippst du noch aus. Aber ein Problem zu diagnostizieren heißt noch lange nicht, es zu lösen. Er schafft es nicht, den eigenen Rat zu befolgen. Dass Henry sein Leben lang den Vorstellungen seiner Mutter von eleganter Herrenkleidung gefolgt sein soll, erscheint Jack schön und anrührend. Es impliziert eine Art Loyalität, die er bewundert – unausgesprochene Loyalität. Henry hat vermutlich viel von seiner Mutter geerbt: die rasche Auffassungsgabe, die Liebe zur Musik, den Intellekt, den völligen Mangel an Selbstmitleid. Intellekt und Mangel an Selbstmitleid sind eine großartige Kombination, findet Jack; sie stellen einen Großteil seiner Definition von Mut dar.
    Denn Henry hat Mut, daran erinnert Jack sich wieder. Verdammt, Henry ist nahezu furchtlos. Es klingt komisch, wenn er davon redet, Auto fahren zu können, aber nach Jacks Überzeugung würde sein Freund, gäbe man ihm die Möglichkeit dazu, sich sofort ans Steuer des nächsten Chryslers setzen, den Motor anlassen und in Richtung Highway

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