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Das schwarze Haus - King, S: Schwarze Haus

Titel: Das schwarze Haus - King, S: Schwarze Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Stephen;Straub King
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nachdem er auf den Highway 93 abgebogen ist; die lang gestreckten, kaum sichtbaren Felder; die Lampenkette, die sich wie eine Weihnachtsdekoration über die gesamte Länge der Veranda vor Roy’s Store spannt. Das Rattern über die erste Brücke, dann die scharfe Kurve in die Tiefen des Tals. Weiter
links von der Straße blinken die ersten Farmhäuser aus der Dunkelheit; die Lampen in ihren Fenstern brennen wie Altarkerzen. Alles scheint von höherer Bedeutung durchdrungen zu sein, alles scheint zu sprechen . Er fährt in einem Kokon aus geheiligtem Schweigen durch einen heiligen Hain. Jack erinnert sich daran, wie Dale ihn das erste Mal in dieses Tal gefahren hat, und auch diese Erinnerung ist ihm heilig.
    Jack nimmt es nicht wahr, aber ihm laufen Tränen über die Wangen. Sein Herzschlag pocht in den Adern. Die bleichen Farmhäuser leuchten halb verborgen in der Dunkelheit, und aus diesem Dunkel ragen die Tigerlilienstauden, die ihn schon bei seiner ersten Fahrt ins Norway Valley hinein begrüßt haben. Die Tigerlilien leuchten im Licht der Scheinwerfer, dann versinken sie murmelnd hinter ihm. Ihr verstummendes Gemurmel geht im Murmeln der Reifen unter, die ungeduldig, sanft auf Henry Leydens warmes Haus zurollen. Morgen kann er sterben, das weiß Jack, und dies kann die letzte Nacht sein, die er sehenden Auges erlebt. Dass er siegen muss , heißt noch lange nicht, dass er auch siegen wird ; auch stolze Weltreiche und ehrwürdige Epochen sind schon in den Staub gesunken, und der Scharlachrote König kann aus dem Turm ausbrechen, in einer Welt nach der anderen wüten und überall Chaos verursachen.
    Sie könnten alle drei in Black House sterben: er, Beezer und Doc. Sollte es dazu kommen, wird Tyler Marshall nicht nur ein Brecher, ein in einem zeitlosen Fegefeuer angeketteter Sklave, sondern ein Super-Brecher, ein Brecher mit Atomantrieb sein, den der Abbalah dazu benützen wird, alle Welten in Öfen voller brennender Leichen zu verwandeln. Nur über meine Leiche, denkt Jack und muss leicht irre lachen – das ist so buchstäblich wahr!
    Welch eigenartiger Augenblick: Er lacht, während er sich Tränen vom Gesicht wischt. Dieses Paradox bewirkt, dass er plötzlich das Gefühl hat, gevierteilt zu werden. Schönheit und Schrecken, Schönheit und Schmerz – aus diesem Dilemma gibt es keinen Ausweg. Erschöpft und mit zum Zerreißen angespannten Nerven kann Jack seine Wahrnehmung der immanenten Zerbrechlichkeit der Welt, ihrer stetigen, unaufhaltsamen
Bewegung auf den Tod zu, oder das tiefere Bewusstsein, dass diese Bewegung der Ursprung all ihrer Bedeutung ist, nicht unterdrücken. Siehst du all diese Schönheit, von der einem das Herz still stehen könnte? Sieh gut hin, denn gleich wird dein Herz still stehen.
    In der nächsten Sekunde erinnert er sich an den Schwarm goldener Bienen, der sich auf ihm niedergelassen hat: Dagegen haben sie ihm Trost gespendet, genau dagegen, sagt er sich. Der Segen von Segen, die flüchtig sind. Was man liebt, muss man umso inniger lieben, weil es eines Tages nicht mehr da sein wird. Das war ihm wahr erschienen, aber es war ihm nicht wie die ganze Wahrheit vorgekommen.
    Vor dem Dunkel der Nacht sieht er die Riesengestalt des Scharlachroten Königs aufragen, der einen kleinen Jungen hoch hält, um ihn als Brennglas zu benutzen, das die Welten in Brand setzen und in flammende Wüsten verwandeln wird. Parkus hat Recht gehabt: Er wird den Giganten nicht vernichten können, aber vielleicht eine Möglichkeit finden, den Jungen zu retten.
    Die Bienen haben gesagt: Rette Ty Marshall.
    Die Bienen haben gesagt: Liebe Henry Leyden.
    Die Bienen haben gesagt: Liebe Sophie.
    Für Jack kommt das der Wahrheit nahe genug, ist richtig genug. Für die Bienen war das alles ein und derselbe Satz. Vielleicht haben sie auch gesagt: Tu deine Pflicht, Schutzmann. Dieser Satz wäre nur unwesentlich anders gewesen. Nun, er wird seine Pflicht tun, das steht fest. Nachdem ihm solch ein Wunder geschenkt wurde, fühlt er sich geradezu dazu verpflichtet.
    Jack wird warm ums Herz, als er auf Henrys Einfahrt abbiegt. Was ist Henry schließlich, wenn nicht eine andere Art Wunder?
    Heute Abend, das beschließt Jack vergnügt, wird er dem erstaunlichen Henry Leyden einen unvergesslichen Nervenkitzel bereiten. Heute Abend wird er Henry die gesamte Story erzählen, die ganze lange Geschichte der Reise, die er in seinem zwölften Lebensjahr gemacht hat: das Verheerte Land, der Rationale Richard, das Agincourt und der

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