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Das schwarze Haus - King, S: Schwarze Haus

Titel: Das schwarze Haus - King, S: Schwarze Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Stephen;Straub King
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Vielleicht ist dir das ja noch nicht aufgefallen.«
    Dale ist alles Mögliche aufgefallen. Zum Beispiel die Art und Weise, wie das Haus seine Form nicht behalten will – wie es manchmal gigantisch wirkt, als bestände es aus vielen Häusern, die einander irgendwie überlagern. Eine Großstadt etwa von der Größe Londons unter einem einzigen Dach zusammengedrängt. Und dazu kommen die Bäume. Es gibt alte Eichen und Kiefern, es gibt Birken, die wie hagere Gespenster wirken, es gibt Rotahorne – alles einheimische Baumarten -, aber er sieht auch verdrehte, Luftwurzeln aussendende Gewächse, die wie entartete Banyanbäume aussehen. Und bewegen die sich nicht etwa? Jesus, das will Dale nicht hoffen. Unabhängig davon flüstern sie jedenfalls. Dessen ist er sich fast sicher. Er kann hören, wie ihre Worte das Summen in seinem Kopf übertönen, und es sind beileibe keine aufmunternden Worte, durchaus nicht.
    Töteneuch … esseneuch … hasseneuch …
    »Wo bleibt der Hund?«, fragt Beezer. Er hält seine 9-mm-Pistole in der Hand. »Hierher, Hundchen! Hab was Feines für dich! Komm und hol’s dir!«
    Stattdessen dringt wieder das gutturale Brüllen aus dem Wald, diesmal unüberhörbar näher: Gruuu-uuuh! Und die Bäume flüstern. Dale blickt zum Haus auf, sieht es jäh Stockwerke in einen Himmel auftürmen, der weiß und kalt geworden ist, und fühlt, dass ihn ein Schwindelgefühl wie eine Woge aus warmem Schmierfett durchflutet. Er nimmt undeutlich wahr, dass Jack ihn am Ellbogen packt, um ihn zu stützen. Das hilft ein wenig, aber nicht genug; der Polizeichef von French Landing dreht sich rasch nach links weg und erbricht sich.
    »Gut«, sagt Jack. »Weg damit. Nur raus damit. Und wie steht’s mit dir, Doc? Beez?«
    Die Thunder Two antworten, dass ihnen nichts fehlt. Das mag im Augenblick zwar noch stimmen, aber Beezer weiß nicht, wie lange sein labiles Gleichgewicht noch anhalten wird. In seinem Magen rumort es leise und langsam. Was ist schon dabei, wenn ich dort drinnen kotzen muss?, denkt er. Jack sagt, dass Burnside tot ist; den stört’s nicht mehr.

    Jack führt sie die Stufen zur Veranda hinauf und bleibt unterwegs kurz stehen, um das rostige Zutritt-verboten-Schild mitsamt dem Totenkopf-Graffiti mit einem Tritt über die Seite in einen Buschen Unkraut zu befördern, das sich wie eine gierige Hand sofort über ihm schließt. Dale fühlt sich daran erinnert, wie Jack auf die Krähe gespuckt hat. Sein Freund erscheint ihm jetzt anders, jünger und stärker. »Aber wir verschaffen uns hier Zutritt«, sagt Jack. »Und zwar gewaltsam .«
    Anfangs sieht es jedoch so aus, als würden sie das nicht schaffen. Die Eingangstür von Black House ist nicht bloß abgesperrt, sondern weist zwischen Türblatt und Rahmen sogar keinerlei Spalt auf. Als sie vor der Tür stehen, scheint diese in Wirklichkeit nur in Trompe-l’Œil-Manier aufgemalt zu sein.
    Hinter ihnen im Wald kreischt etwas. Dale fährt zusammen. Das Kreischen steigert sich zu einem schrillen Crescendo, kippt in gellend lautes manisches Gelächter um und verstummt dann plötzlich.
    »Die Eingeborenen scheinen verdammt unruhig zu sein«, meint Doc.
    »Willst du’s nicht mit einem Fenster versuchen?«, fragt Beezer an Jack gewandt.
    »Nee. Wir gehen vorn rein.«
    Während Jack das sagt, hebt er den von Richie Sexson signierten Baseballschläger. Gleich darauf lässt er ihn mit verwunderter Miene wieder sinken. Hinter ihnen ertönt ein Summen, das rasch anschwillt. Das auf dieser merkwürdigen Waldlichtung ohnehin schwache Tageslicht scheint sich noch weiter abzuschwächen.
    »Was ist das?«, fragt Beezer, indem er sich nach der Zufahrt und dem dort geparkten Streifenwagen umdreht. Er hält die Pistole neben dem Kopf erhoben. »Was zum …« Und dann verstummt er. Die Hand mit der Waffe sackt nach außen und unten. Die Kinnlade ist ihm heruntergefallen.
    »Heiliger Strohsack«, sagt Doc leise.
    Und Dale fügt noch leiser hinzu: »Hast du die gerufen, Jack? Dann hast du dein Licht wirklich die ganze Zeit unter den Scheffel gestellt.«
    Das Tageslicht hat sich abgeschwächt, weil über der Lichtung
vor Black House jetzt eine geschlossene Decke aus Bienen hängt. Immer mehr dieser Insekten schwirren als bräunlich goldener Kometenschweif von der Zufahrt heran. Sie senden ein schläfriges, mildes Summen aus, in dem das gellend laute, an einen Feuermelder erinnernde Schrillen des Hauses vollkommen untergeht. Das heisere Alligatorgebrüll im Wald verstummt, und die

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