Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das schwarze Manifest

Das schwarze Manifest

Titel: Das schwarze Manifest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
Vom Netzwerk:
hinausfahren zu lassen, und daß Akopow der letzte gewesen ist. Das beweist auch das Wachbuch.«
    »Also?« fragte Komarow.
    »Fahrlässigkeit oder Böswilligkeit. Die beiden Wachmänner der Nachtschicht werden eben aus ihrer Unterkunft geholt. Ich erwarte sie jeden Augenblick. Sie sind von Akopows Weggang um zwanzig Uhr bis zum Eintreffen der Tagschicht um sechs Uhr im Gebäude allein gewesen. Danach ist die Tagschicht hier allein gewesen, bis gegen acht Uhr das Büropersonal zur Arbeit gekommen ist. Zwei Stunden. Aber die Wachmänner der Tagschicht schwören, hier oben seien sämtliche Türen abgesperrt gewesen. Das bestätigen alle, auch Akopow, die in diesem Stockwerk arbeiten.«
    »Ihre Theorie, Anatoli?«
    »Akopow hat das Schriftstück versehentlich oder absichtlich mitgenommen. Oder er hat vergessen, es wegzusperren, und jemand von der Nachtschicht hat es gestohlen. Die Wachmänner haben einen Generalschlüssel für alle Bürotüren.«
    »Sie tippen also auf Akopow?«
    »Er ist natürlich der Hauptverdächtige. Seine Wohnung ist durchsucht worden. In seiner Gegenwart. Nichts. Ich habe vermutet, er habe es mitgenommen und dann seine Aktentasche verloren. Im Verteidigungsministerium ist das einmal passiert. Ich habe damals die Ermittlungen geleitet. Wir haben festgestellt, daß keine Spionage, sondern verbrecherische Fahrlässigkeit vorgelegen hat. Der Schuldige ist ins Straflager gewandert. Aber Akopow hat seine Aktentasche noch. Sie ist von drei Mitarbeitern identifiziert worden.«
    »Also hat er's absichtlich getan?«
    »Möglicherweise. Aber eines ist mir unklar: Warum ist er heute morgen ins Büro gekommen und hat darauf gewartet, geschnappt zu werden? Er hat zwölf Stunden Zeit gehabt, um zu verschwinden. Ich möchte ihn… äh… gründlich vernehmen. Um eine Mitschuld ausschließen zu können oder ein Geständnis zu bekommen.«
    »Erlaubnis erteilt.«
    »Und danach?«
    Igor Komarow drehte seinen Sessel etwas zur Seite und sah aus dem Fenster. Er überlegte einige Zeit.
    »Akopow ist ein sehr guter Privatsekretär gewesen«, sagte er dann. »Aber nach diesem Vorfall werde ich mir einen neuen suchen müssen. Problematisch ist jedoch, daß er das Schriftstück kennt. Sein Inhalt ist äußerst vertraulich. Würde Akopow in untergeordneter Stellung weiterbeschäftigt oder entlassen, könnte er Ressentiments empfinden oder sogar versucht sein, sein Wissen preiszugeben. Das wäre bedauerlich, höchst bedauerlich.«
    »Ich verstehe vollkommen«, bestätigte Oberst Grischin.
    In diesem Augenblick trafen die beiden verängstigten Wachmänner der Nachtschicht ein, und Grischin ging hinunter, um sie zu vernehmen.
    Inzwischen war auch die Unterkunft der Wachmänner in der Kaserne der Schwarzen Garde außerhalb der Stadtgrenzen durchsucht worden, ohne daß dort mehr als die erwarteten Toilettenartikel und Pornohefte zu finden gewesen wären.
    In der Villa wurden die beiden Männer in getrennten Räumen vernommen. Grischin befragte sie persönlich. Sie fürchteten sich sichtlich vor ihm, wozu sie auch allen Grund hatten. Sein Ruf eilte ihm voraus.
    Manchmal brüllte er sie an und überhäufte sie mit Verwünschungen, aber die beiden schwitzenden Männer litten am meisten, wenn er sich dicht neben sie setzte und ihnen flüsternd in allen Einzelheiten schilderte, was Leute erwartete, die er dabei erwischte, daß sie ihn belogen. Um zwanzig Uhr kannte er den gesamten Ablauf ihrer letzten Nachtschicht. Er wußte, daß sie ihrer Pflicht, durchs Gebäude zu patrouillieren, nur ungenügend nachgekommen waren, weil sie vor dem Fernseher gesessen hatten, um die Sondersendung anläßlich des Todes des Präsidenten zu verfolgen. Und er hörte zum erstenmal von der Existenz des Raumpflegers.
    Der Mann war um zweiundzwanzig Uhr eingelassen worden. Wie gewöhnlich. Durch den unterirdischen Gang. Er war allein gekommen. Beide Wachmänner waren gebraucht worden, um die drei Türen zu öffnen, denn einer hatte die Kombination für das Tastenfeld der zur Straße hinausführenden Tür, der andere die der innersten Tür und beide die der mittleren Tür.
    Grischin wußte, daß die Wachmänner gesehen hatten, wie der alte Raumpfleger seine Arbeit im obersten Stock begann. Wie gewöhnlich. Er wußte, daß die Wachmänner vom Fernseher weggeholt worden waren, um die Bürotüren im ersten Stock aufzuschließen. Er wußte, daß einer von ihnen an der Tür gestanden hatte, während in Gospodin Komarows Arbeitszimmer saubergemacht wurde, um sie

Weitere Kostenlose Bücher