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Das schwarze Manifest

Das schwarze Manifest

Titel: Das schwarze Manifest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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Präsident Tscherkassows am Vortag und seine voraussichtlichen Konsequenzen gewesen. Sie hatte dem Journalisten versichert, das britische Volk interessiere sich weiterhin sehr für die Ereignisse in Rußland, und konnte nur hoffen, daß er ihr das abgenommen hatte. Sie würde es wissen, wenn sein Artikel erschien.
    Gegen siebzehn Uhr fuhr sie in ihr Apartment zurück, um ein Bad zu nehmen und kurz zu ruhen. Um zwanzig Uhr war sie mit Hugo Gray zum Abendessen verabredet; danach hatte sie vor, ihn in ihre Wohnung mitzunehmen, und nicht den Wunsch, in dieser Nacht allzuviel zu schlafen.
    Um sechzehn Uhr hatte Oberst Anatoli Grischin sich davon überzeugt, daß das fehlende Schriftstück sich nicht innerhalb des Gebäudes befand. Jetzt saß er in Igor Komarows Büro und teilte ihm diese Tatsache mit.
    Über vier Jahre hinweg waren die beiden Männer voneinander abhängig geworden. Grischin hatte 1994 gründlich desillusioniert seine KGB-Karriere als Oberst in der Zweiten Hauptverwaltung an den Nagel gehängt. Seit dem offiziellen Ende der kommunistischen Herrschaft im Jahr 1991 war der frühere KGB seiner Überzeugung nach nur noch ein Schatten seiner selbst. Bereits vorher, im September 1991, hatte Michail Gorbatschow den größten Sicherheitsapparat der Welt zerschlagen und seine Abteilungen in selbständige Dienste umgewandelt.
    Die Erste Hauptverwaltung, die im Ausland aufzuklären hatte, war in ihrer alten Zentrale in Jasenewo außerhalb des Autobahnrings geblieben, aber in Auslandsnachrichtendienst oder SWR umbenannt worden. Das war schlimm genug.
    Schlimmer war jedoch, daß Grischins eigene Abteilung, die Zweite Hauptverwaltung, die früher für innere Sicherheit, die Enttarnung von Spionen und die Unterdrückung von Dissidenten zuständig gewesen war, verstümmelt, in FSB umbenannt und angewiesen worden war, die eigene Macht auf eine Karikatur ihrer einstigen Größe zu reduzieren.
    Bei Grischin hatte das nur Verachtung ausgelöst. Das russische Volk brauchte Disziplin, straffe und gelegentlich harte Disziplin, und die Zweite Hauptverwaltung hatte sie ausgeübt. Er ertrug die Reformen drei Jahre lang, weil er hoffte, Generalmajor zu werden, und schied dann aus. Ein Jahr später wurde er von Igor Komarow, damals erst Mitglied des Politbüros der alten Liberaldemokratischen Partei, als Chef seines persönlichen Sicherheitsdienstes angestellt.
    Die beiden Männer waren gemeinsam zu Macht und Prominenz aufgestiegen, und ihr Aufstieg war noch längst nicht zu Ende. Im Lauf der Jahre hatte Grischin eine Komarow treu ergebene persönliche Schutztruppe aufgestellt: die Schwarze Garde, die nun aus sechstausend durchtrainierten jungen Männern bestand, die er persönlich befehligte.
    Unterstützt wurde die Garde von den Jungen Kämpfern, der zwanzigtausend Köpfe starken Jugendorganisation der UPK – von der korrekten Ideologie durchdrungen und fanatisch loyal –, die er ebenfalls befehligte.
    Der bescheidenste seiner Anhänger konnte Komarow auf offener Straße vertraulich ansprechen, aber das gehörte zu der in Rußland von einem »Mann des Volkes« erwarteten Kameraderie. In seiner privaten Umgebung bestand Komarow darauf, daß alle Mitarbeiter, außer einigen wenigen Vertrauten, den vorgegebenen formellen Umgangston beibehielten.
    »Sie wissen bestimmt, daß das Schriftstück nicht mehr in diesem Gebäude ist?« fragte Komarow.
    »Das ist ausgeschlossen, Igor Wiktorowitsch. Wir haben es zwei Stunden lang praktisch auf den Kopf gestellt. Jedes Regal, jeden Schrank, jede Schublade, jeden Safe. Jedes Fenster und jede Fensterbank ist kontrolliert worden, jeder Quadratmeter außerhalb des Gebäudes. Ein Einbruch liegt garantiert nicht vor.
    Der Fachmann des Safeherstellers hat seine Überprüfung gerade beendet. Der Safe ist nicht gewaltsam geöffnet worden. Er ist von jemandem geöffnet worden, der die Kombination gekannt hat oder das Schriftstück hat nie darin gelegen. Der Müll von gestern abend ist beschlagnahmt und durchsucht worden. Nichts.
    Die Hunde sind ab neunzehn Uhr frei herumgelaufen. Danach hat niemand mehr das Gebäude betreten – die beiden Wachmänner der Nachtschicht hatten die Tagschicht um achtzehn Uhr abgelöst, und die Tagschicht ist zehn Minuten später gegangen. Akopow ist bis zwanzig Uhr in seinem Büro gewesen. Der Hundeführer von letzter Nacht ist geholt worden. Er schwört, daß er seine Hunde gestern abend dreimal zurückgepfiffen hat, um Mitarbeiter, die noch spät gearbeitet hatten,

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