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Das schwarze Manifest

Das schwarze Manifest

Titel: Das schwarze Manifest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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Fahrer den Kopf zum Fenster hinausstreckte, um die verdreckten Straßenschilder lesen zu können, vor diesem Wohnblock hielt.
    Saizews Schwiegersohn hieß natürlich anders, und sie mußten bei einem aus dem Bett geholten, verschlafenen Nachbarn im Erdgeschoß nachfragen, um zu erfahren, daß die Familie im dritten Stock wohnte. Lift gab es hier keinen. Die vier Männer polterten die Treppe hinauf und hämmerten an die abblätternde Tür.
    Die Frau, die ihnen schläfrig und mit verquollenen Augen aufmachte, mußte Mitte Dreißig sein, sah aber zehn Jahre älter aus. Grischin trat höflich, aber sehr bestimmt auf. Seine Männer drängten sich an ihr vorbei und schwärmten aus, um die Wohnung zu durchsuchen. Viel gab es nicht zu durchsuchen, denn sie war winzig: lediglich zwei Zimmer, ein übelriechender Abort und eine mit einem Vorhang abgetrennte Kochnische.
    Die Frau hatte mit ihrer sechsjährigen Tochter in dem Doppelbett in einem der Zimmer geschlafen. Die Kleine wachte nun auf, begann zu greinen und schrie laut, als ihr Bett auf der Suche nach jemandem, der darunter versteckt sein konnte, umgekippt wurde. Die beiden windigen Sperrholzschränke wurden aufgerissen und durchwühlt.
    Im anderen Zimmer zeigte Saizews Tochter hilflos auf das an der Wand stehende Feldbett ihres Vaters und erklärte Grischin, ihr Mann sei nicht da, sondern seit zwei Tagen auf einer Tour nach Minsk unterwegs. Jetzt hemmungslos schluchzend, was ihre Kleine sofort imitierte, schwor sie, ihr Vater sei gestern morgen nicht heimgekommen. Sie mache sich Sorgen um ihn, habe aber noch nichts unternommen, um sein Verschwinden zu melden. Er sei bestimmt auf einer Parkbank eingeschlafen, vermutete sie.
    Binnen zehn Minuten hatten die Männer der Schwarzen Garde festgestellt, daß in der Wohnung niemand versteckt war, und Grischin war zu der Überzeugung gelangt, die Frau sei zu ahnungslos und verängstigt, um zu lügen. Eine halbe Stunde nach ihrem Eindringen waren sie wieder verschwunden.
    Grischin ließ den Tschaika nicht in Richtung Stadtmitte, sondern zu dem fünfundsechzig Kilometer entfernten Lager fahren, in dem Akopow festgehalten wurde. Für den Rest der Nacht nahm er den unglücklichen Sekretär persönlich in die Mangel. Noch vor Tagesanbruch gestand der Schluchzende, er müsse das wichtige Schriftstück auf seinem Schreibtisch liegengelassen haben. So was war ihm noch nie passiert. Er konnte nicht begreifen, warum er es nicht weggesperrt hatte. Er bat um Verzeihung. Grischin nickte verständnisvoll und klopfte ihm auf die Schulter.
    Draußen vor der Unterkunft nahm er einen seiner zuverlässigsten Männer beiseite.
    »Heute wird's bestimmt wieder verdammt heiß. Unser Freund dort drinnen ist ganz erschöpft. Ich glaube, ein erfrischendes Bad vor Tagesanbruch täte ihm gut.«
    Dann fuhr er in die Stadt zurück. Ist das Schriftstück auf Akopows Schreibtisch zurückgeblieben, überlegte er sich, ist es aus Versehen weggeworfen oder von dem Raumpfleger entwendet worden? Die erste Annahme konnte nicht stimmen. Der Müll aus der Parteizentrale wurde mehrere Tage lang gelagert und dann unter Aufsicht verbrannt. Die Papierabfälle von gestern waren Blatt für Blatt kontrolliert worden. Nichts. Also der Raumpfleger. Warum ein alter Halbanalphabet das getan und was er mit dem Schriftstück angefangen hatte, blieb Grischin ein Rätsel. Nur der Alte konnte seine Motive erklären. Und erklären würde er sie.
    Noch vor der gewöhnlichen Frühstückszeit waren zweitausend seiner eigenen Leute, alle in Zivil, auf den Straßen Moskaus im Einsatz, wo sie nach einem alten Mann in einem abgewetzten langen Militärmantel fahndeten. Sie hatten kein Foto des Alten, aber seine Personenbeschreibung war präzise – bis hin zu den drei stählernen Vorderzähnen.
    Trotzdem war dieser Auftrag selbst für zweitausend Fahnder nicht ganz so einfach. Die Gassen, Hinterhöfe und Parks der Stadt waren von fünfzigmal mehr Obdachlosen jeden Alters und jeder Größe bevölkert, die alle ärmlich gekleidet waren.
    War Saizew wie vermutet untergetaucht, mußte jeder einzelne überprüft werden. Einer von ihnen würde drei Stahlzähne und einen schwarzen Ordner haben. Grischin verlangte, daß beides schnellstens herangeschafft wurde. Seine leicht verwirrten, aber gehorsamen Gardisten, die an diesem heißen Tag Freizeitkleidung trugen, schwärmten durch ganz Moskau aus.
Langley, Dezember 1983
    Jack Monk stand von seinem Schreibtisch auf, reckte sich und beschloß, in die

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