Das Schwebebahn-Komplott
Privatradio
wohl leben.« Er sprang auf. »Aber mit einem Angriff auf
meine Leute kann und werde ich nicht leben. Die können sich
warm anziehen.«
»Schön.« Stefan
hob den Kopf. Mit festem Blick betrachtete er den Chefredakteur,
der sich hektisch durch das Haar fuhr und kopfschüttelnd
zurück in den Sessel sank.
»Wenn ich
erfahre, dass Sie irgendwie in der Geschichte drinstecken, dann
habe ich den Deutschen Presserat am Hals.«
Stefan zuckte
unmerklich zusammen. Der Presserat war ein Kontrollgremium aller
Medien, das die korrekte Arbeit der Journalisten überwachte
und bei Verstößen mit Sanktionen einschritt. Stefan
erinnerte sich voller Unbehagen, dass der Presserat damals beim
Geiseldrama von Gladbeck eingeschritten war, als die Geiselnahme
von Reportern eiskalt vermarktet worden war. Er ahnte, was
geschehen würde, wenn der Rat den kleinen Sender auf die
Schippe nahm. Möglicherweise handelte es sich um eine Intrige
von Axel Grimm. Konnte der kleine Giftzwerg solche Energie
aufbringen, um die lästige Konkurrenz wirkungsvoll zu
bekämpfen? Stefan wusste es wirklich nicht. »Chef, ich
glaube, das ist nur der Anfang.«
»Was soll das
heißen?«
»Dass es noch
schlimmer kommen wird.«
*
Später, er
saß an seinem Arbeitsplatz in der Redaktion, hatte er das
Gefühl, dass ihm jemand über die Schulter blickte, und er
konnte sich nicht mehr auf die Arbeit am Bildschirm konzentrieren.
Stefan unterbrach und fuhr auf dem Drehstuhl herum. Erleichtert
stellte er fest, dass es nicht Michael Eckhardt war, der ihn
heimgesucht hatte. Stattdessen blickte er in das hübsche Gesicht
seiner Kollegin Karin Dahl. Sie strahlte, als wäre nichts
geschehen. Von dem Disput mit Eckhardt schien sie nichts zu
wissen.
»Hi«,
machte sie und schenkte ihm einen Augenaufschlag. Machte sie ihn
etwa an?
Brav erwiderte er den
Gruß. »Selber Hai!«
»Sag
mal...« Karin wich seinen fragenden Blicken aus und starrte
auf ihre lackierten Fingernägel, strich sich im nächsten
Moment eine widerspenstige Haarsträhne aus der Stirn, um ihn
schließlich wieder anzulächeln. »Was steckt
eigentlich dahinter?« Die dunkelhaarige Kollegin zwinkerte
ihm zu und blickte ihm über die Schulter. Niemand der anderen
Wupper-Mitarbeiter hörte ihnen zu. Bislang hatte ihn niemand
direkt auf den zweifelhaften Artikel im Talexpress
angesprochen.
»Was steckt wo
hinter?«, fragte Stefan scheinheilig und nippte an seinem
Kaffee, der zwischenzeitlich kalt geworden war.
»Nun ...«
Karin druckste herum und wich seinen Blicken aus.
»Was steckt
hinter dir und Heike?«
Jetzt musste er doch
lachen. »Bist du etwa eifersüchtig?«
»Unsinn.«
Karin winkte ab. »Ich frage aus einem anderen Grund. Du
verbringst doch deine Freizeit oft mit Heike Göbel, oder etwa
nicht?«
›Frauen‹, sinnierte
er. ›Sie müssen wohl immer alles kompliziert machen.
Warum nur?‹
Stefan kehrte
achselzuckend die Handflächen nach oben. »Was willst du
hören?«
»Wo ist
sie?«
»Bitte?«
Stefan reckte sich und blickte sich im Großraumbüro um.
Von Heike keine Spur. Er hatte angenommen, dass sie unterwegs sei
und recherchiere. So etwas gehörte zum täglichen Leben
und hatte ihn nicht stutzig gemacht. »Ist sie denn nicht
draußen?«
Karin legte jovial
eine Hand auf seine Schulter. »Heute hat sie noch niemand
hier gesehen«, erwiderte seine Kollegin.
»Und da ihr
beide ...« Sie errötete. »Ich dachte, da ihr
beide, nun ... befreundet seid, dachte ich, dass du wüsstest,
wo sie steckt.«
Stefan sprang von
seinem Drehstuhl auf und erhob eine Hand. »Hat jemand Heike
gesehen?«, fragte er laut in den Raum und erntete lediglich
Kopfschütteln. Ralf Ralle Ebert, der sommersprossige
Wetterfrosch, empfahl ihm, sie in seinem Bettchen zu suchen, worauf
er ihm den Mittelfinger der rechten Hand zeigte. Glucksend wandte
Ralle sich ab und telefonierte weiter mit dem Wetteramt in
Essen.
»Aber du musst
doch wissen, wo sie steckt«, brummte Hermann, der
Kulturredakteur, und paffte genüsslich an seiner Pfeife. Das
Rauchverbot im Großraumbüro scherte ihn einen Dreck und
selbst Eckhardt wagte es nicht, den erfahrenen Journalisten in
seine Schranken zu weisen. Hermann war mit seinen
einundfünfzig Jahren der älteste Mitarbeiter im Team und
strahlte eine stoische Ruhe aus. Jetzt sprang er von seinem
Schreibtisch auf. Er strahlte über alle Backen und malte die
Rundungen einer wohlproportionierten Frau nach. »Du selber
sagst doch immer, sie sei die Redakteurin
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