Das Schwebebahn-Komplott
ich von Staatsanwalt Pesche und von Erika Meister
erhalten habe. Das dürfte durch die eingesetzten O-Töne
deutlich gewesen sein. Von der Erpressung ging keine Silbe
über den Sender.«
»Das meine ich
nicht, Herr Seiler.« Eckhardt sprang von seinem bequemen
Chefsessel auf und taperte durch das Büro, ohne Stefan eines
Blickes zu würdigen. »Sie haben recherchiert, ohne mich
über Ihr Vorgehen in Kenntnis zu setzen.«
»Wovon reden
Sie?«, versuchte Stefan auf dumm zu schalten. Immerhin war
gestern eine Meldung über den toten Zwillingsbruder von Rolf
Spielberg über den Äther gegangen. Insoweit hatte Stefan
kein schlechtes Gewissen. Seiner Pflicht als Nachrichtenreporter
war er nachgekommen.
Eckhardt umrundete
seinen wuchtigen Schreibtisch und bot ihm einen Kaffee an. Stefan
wertete das als Geste der Versöhnung. »Ich denke, wir
müssen uns ganz in Ruhe unterhalten, brummte Eckhardt.
»Lesen Sie Zeitung?«
»Wenn ich die
Zeit finde, schon.«
»Dann gebe ich
Ihnen jetzt zwei Minuten Zeit für die Lektüre des
Talexpress.«
Stefan musterte ihn
wie einen Geisteskranken.
»Lesen Sie
schon«, forderte Eckhardt ihn ungeduldig auf und deutete auf
die Zeitung.
Seufzend kam Stefan
der Aufforderung nach und blätterte die Zeitung auf. Schon auf
Seite zwei wurde er auf eine reißerische Schlagzeile
aufmerksam. Radioreporter am Tatort
gesehen. Ging der Mann der Wupperwelle einen Schritt zu
weit?
Seiler stutzte. Die
Schrift verschwamm vor seinen Augen, kalter Schweiß brach ihm
aus. Atemlos las Stefan weiter:
Wie uns aus
sicherer Quelle berichtet wurde, scheint ein Zusammenhang zwischen
dem vorgestern tot aufgefundenen Bruder des ermordeten
Immobilienmaklers Rolf S. und dem Privatsender Wupperwelle zu
bestehen. Zunächst befand sich eine Reporterin der Wupperwelle
am Fundort der Leiche von Rolf S., bevor überhaupt die Polizei
dort eintraf, anschließend trafen Beamte den Reporter Stefan
S. in der Villa des ermordeten Maklers an, nachdem sich dessen
Zwillingsbruder selbst gerichtet hatte. Auf unsere Anfrage beim
Sender war kein Mitarbeiter zu einer Stellungsnahme bereit.
Natürlich bleiben wir am Ball und berichten über
mögliche Verbindungen zwischen dem Privatsender und dem toten
Rolf S.
-AG-
»Das ist
unglaublich«, entfuhr es Stefan kopfschüttelnd. Der
Teufel wusste, woher dieses Schmierblatt die Informationen hatte.
Stefan hatte gestern mit niemandem über seine Recherchen
gesprochen. Außer mit Heike, aber die schied als Spionin aus.
Sein Blick glitt über das Namenskürzel unter dem Artikel.
AG stand dort, das waren die Initialen von Axel Grimm. Mit dem kleinen Dicken
verband ihn eine Hassliebe. Vermutlich konnte Grimm es einfach
nicht verknausern, dass das Radio das schnellere Medium war und so
stets einen Zeitvorteil gegenüber der Tageszeitung
hatte.
»Wissen Sie
eigentlich, was dieser Zeitungsartikel für unseren Sender
bedeutet?« Eckhardts Stimme klang wie ein Paukenschlag.
Stefans Kopf zuckte hoch. Dann sank er seufzend in den Stuhl vor
Eckhardts Schreibtisch und betrachtete seine Schuhe.
Eckhardt winkte ab.
»Unsere Seriosität ist in Frage gestellt. Einer meiner
Leute, einer der beliebtesten Moderatoren der Wupperwelle, wird
öffentlich angeprangert. Ich sehe schon die sinkenden
Einschaltquoten.«
»Vermutlich hat
die Polizei eine undichte Stelle, lässt sich vielleicht sogar
von der Presse aushorchen«, überlegte Stefan
halblaut.
»Das ist
suspekt«, wetterte Eckhardt und winkte ab. »Wenn Sie
auch noch behaupten, dass die Polizei korrupt ist und Informationen
gegen Geld herausgibt, dann fürchte ich eine Anzeige wegen
Verleumdung.«
»Ach«,
erwiderte Stefan wütend. »Korrupte Polizisten sind also
genau so undenkbar wie korrupte Beamte in der
Stadtverwaltung?«
»Der Vergleich
hinkt«, brummte der Chefredakteur und ging nicht näher
auf Stefans Spitze ein. »Natürlich werde ich den
Chefredakteur des Talexpress zur Verantwortung ziehen. Aber das
hilft uns im Augenblick auch nicht weiter. Das Mindeste ist eine
Gegendarstellung.«
»Nun ...«,
begann Stefan, wurde aber abgewürgt.
Eckhardt beugte sich
zu ihm hinüber. »Mann, Seiler. Das ist ein dicker Hund.
Vielleicht sollte ich Sie beurlauben.«
»Wie im
amerikanischen Krimi«, erwiderte Stefan gallig. »Wenn
ein Angestellter einen Schritt zu weit geht, wird er kurzfristig
vom Dienst suspendiert.«
»Ja«,
nickte Eckhardt. »Sie können froh sein, dass wir unter
akutem Personalmangel leiden. Aber damit muss man beim
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