Das Schwebebahn-Komplott
mit den schönsten
... Augen...«
Alle Kollegen lachten.
Stefan winkte ab und ließ sie stehen. Mit langen Schritten
durchquerte er die Redaktion. Hinter der Nachrichtenredaktion
befand sich eine große Tafel an der Wand, auf der
sämtliche Dienstpläne aufgemalt waren. Nein,
Spätschicht hatte Heike nicht. Eigentlich hätte sie hier
sein müssen. Trotzdem: Keiner wusste, wo sie
steckte.
»Ich habe schon
zu Hause bei ihr angerufen«, riss ihn Karins Stimme aus den
Gedanken. Lautlos war sie hinter Stefan getreten. »Sie meldet
sich nicht.« Karin zuckte mit den schmalen Schultern.
»Es scheint, als wäre sie spurlos
verschwunden.«
Stefan ächzte.
»Das wäre so ziemlich das Letzte, was wir jetzt
gebrauchen könnten.« Verdammt, das war nun wirklich
nicht sein Tag. Wenn es kam, dann knüppeldick.
17.
Kapitel
Man hatte ihn weder
suspendiert noch beurlaubt. Michael Eckhardt hatte Stefan im Dienst
belassen und das war ihm ganz Recht. Heute stand keine Sendung auf
seinem Dienstplan, und so war er heute kein Moderator, sondern ein
normaler Journalist. So meldete er sich ordnungsgemäß
ab. Der Reporter hatte zu recherchieren. Eckhardt riet ihm, sich
aus der Angelegenheit Axel Grimm herauszuhalten - die Klärung
würde er für seinen Mitarbeiter übernehmen -, auf
Chefebene, wie er versprach.
Stefan saß in
seinem Käfer und knatterte über die Elberfelder Gathe,
die wenige Meter weiter in die Uellendahler Straße
mündete. Hier befand sich ein altes Fabrikgebäude, das
von einem hohen, imposanten Turm beherrscht wurde. Irgendwann hatte
der Reporter sogar einen freien Parkplatz in der abzweigenden
Eckernförder Straße gefunden. Die letzten Meter zur
Künstleragentur, die er aufsuchen wollte, legte Stefan in
einem Anfall von körperlicher Betätigung zu Fuß
zurück.
Die Agentur war in
einer ehemaligen Zwirnerei untergebracht, die erst kürzlich
renoviert worden war. Am Eingang des altehrwürdigen
Fabrikgebäudes blieb Stefan stehen und ließ das Flair
architektonischer Baukunst der Jahrhundertwende auf sich wirken. Es
war ein viergeschossiger Eckbau, mit verklinkerter Fassade und
einem Mansardendach, das hoch über den benachbarten Bauten zu
thronen schien. Als Stefan an dem Bau hinaufblickte, erkannte er
die verspielten Details, sah die geschwungenen Fensterbänke,
die mit roten Steinen ornamental abgesetzt waren, und die gelben
Ziegel, die das Bild in den oberen Stockwerken
beherrschten.
Dann gab er sich einen
Ruck und trat ein. Im Eingang fiel sein Blick auf ein rotes Plakat.
Atelier zu vermieten stand dort in dicken Lettern. Darunter eine
Telefonnummer. Schulterzuckend wandte er sich ab und marschierte in
das dritte Stockwerk der alten Textilfabrik.
Dort wurde er von Peter Göbel empfangen, Heikes
Bruder.
Die Ähnlichkeit
mit seiner kleinen Schwester, wie er sie nannte, konnte er nicht
verheimlichen. Auch Peter war blond, schmächtig, aber
größer als Heike. Ein hoher Haaransatz und ein etwas zu
spitzes Kinn gesellte sich zu einer geraden, schmalen Nase.
Wachsame Augen musterten den Radiomann verwundert. Er war sichtlich
überrascht, von Stefan besucht zu werden - kannte er den
Reporter doch nur flüchtig. Brav bat er diesen
herein.
Neugierig blickte
Stefan sich im Atelier um. Große Bilder an den Wänden,
mit denen Stefan nichts anzufangen wusste, beherrschten den
ansonsten nur spärlich eingerichteten Raum. In einer Ecke gab
es eine Designercouch, davor einen flachen Designertisch, mehr
nicht. Versteckte Lichtquellen tauchten den Raum mit der hohen
Decke in flutendes, weiches Licht. Ein Fotograf wäre
sicherlich hell begeistert gewesen über so viel
Streulicht.
Peter Göbel
musterte seinen Besucher gespannt. »Was führt dich zu
mir?« Seine Augenwinkel zuckten. Oder zwinkerte er dem Freund
seiner Schwester verschmitzt zu?
»Heike«,
sagte Stefan und folgte ihm in sein Büro.
Der hagere Knabe
reichte Stefan die Hand, und nur am schwachen Händedruck
bemerkte er, dass Peter Göbel es scheute, ihm wehzutun. Stefan
Seiler erinnerte sich, dass Peter ein bekennender Schwuler
war.
»Es geht also um
Heike?«, stellte Peter fest, als sie sein ebenfalls
lichtdurchflutetes Büro betreten hatten. Er bedeutete dem
anderen, Platz zu nehmen.
»Ja«,
nickte der Reporter und sank auf eine weiche Ledercouch. Irgendwie
fühlte er sich in den weichen Polstern wie ein
Ertrinkender.
Peter setzte sich auf
einen Sessel, nachdem er in der Küchennische einen Kaffee
gebraut hatte. Natürlich auf einer
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