Das Schwebebahn-Komplott
schimpfte sie. »Entweder ihr nehmt mir
diese verdammte Decke vom Kopf, oder ihr führt mich so, dass
ich mir nicht das Genick breche!«
»Schnauze«, wurde sie
von Erik angefahren.
Fast gleichzeitig
spürte sie einen kleinen, harten Gegenstand im Rücken.
Heike bezweifelte keine Sekunde, dass es sich um die Mündung
einer Waffe handelte. Das kalte Eisen durchdrang den Stoff der
Wolldecke ebenso problemlos wie den ihrer leichten Sommerkleidung.
Je weiter sie nach oben kamen, desto dicker wurde die Luft. Fast
glaubte sie, das Prasseln der Flammen zu hören.
Beißender Rauch kroch in ihre Atemwege, auch die Decke bot
ihr keinen ausreichenden Schutz, und so hielt sie kurzfristig die
Luft an.
»Ach, du
Scheiße«, hörte sie Ottos dumpfe Stimme.
»Der ganze Laden steht ja in Flammen. Wenn der Alte das
erfährt, dann...«
»Halt's Maul und
beeil dich, bevor über uns die Decke einkracht.« Erik
drückte den Lauf seiner Pistole fester in Heikes Rücken.
»Und du«, herrschte er sie an, »mach, dass du
vorankommst.« Er kicherte kurz. »Eigentlich hätten
wir weniger Arbeit mit dir gehabt, wenn wir dich einfach hier
lassen würden. Es hätte Wochen gedauert, bis sie deine
verkohlte Leiche identifiziert hätten.«
Diesmal schwieg Heike.
Zu sehr hatte sie das schreckliche Erlebnis in ihrer Kindheit
geprägt. In ihrer Wohnung gab es nicht eine einzige Kerze - aus
Angst, der Leuchter könne aus Unachtsamkeit umkippen und ein
ähnliches Inferno wie damals in der elterlichen Wohnung
verursachen. Sogar Raucher, die bei ihr zu Besuch waren, bewachte
sie mit Argusaugen. Als zu groß empfand sie die Gefahr, dass
durch herabfallende Glut ein Schwelbrand entstehen
könne.
Und jetzt
das!
Ihr Herz schlug bis
zum Halse. Eilig setzte sie einen Fuß vor den anderen, geriet
mehrmals ins Straucheln, fing sich aber immer wieder. Dann schlug
ihr die erbarmungslose Hitzewelle entgegen. Brennendes Holz knackte
vernehmlich und Heike fürchtete, die Flammen könnten nach
der Wolldecke lecken und diese in Brand setzen. Dann wäre
alles aus, da war sie sicher. Erik bugsierte sie hastig durch das
Rauch- und Flammenmeer. Heike befand sich am Rande eines
Nervenzusammenbruchs - es machte sie wahnsinnig, dass sie nicht
sehen konnte, was um sie herum geschah.
»Nehmt mir die
verdammte Decke vom Kopf«, forderte sie hustend. »Ich
will sehen, wo ich bin.«
»Das könnte
dir so passen«, erwiderte Erik unbeeindruckt. »Dann
sind wir bald geliefert. Nein, so dumm sind wir nicht. Keine Angst,
Puppe, gleich bist du in Sicherheit.«
»Und die
Bullen?«, fragte Otto. »Sie werden uns mit unserer
Beute direkt vor dem Haus empfangen. Polizei und Feuerwehr werden
jeden Augenblick hier aufkreuzen. Wenn sie uns mit dem Weibsbild
sehen, dann sind wir geliefert.«
»Wir nehmen den
Hinterausgang. Für wie blöd hältst du mich
eigentlich? Sie kann ja eine von unseren Miezen
sein.«
»Diskutier
nicht, mach lieber, dass wir hier rauskommen«, erwiderte Otto
und schob Heike weiter. »Ich hab' keinen Bock, hier zu
verkokein.«
Heike schluckte
trocken. »Endlich mal ein vernünftiger Vorschlag.«
Sie hoffte inständig, dass es noch nicht zu spät
sei.
Natürlich war die
Neumarktstraße voll gesperrt. Als er den Käfer vor dem
Elberfelder Rathaus stoppte, erkannte er schon eine
Menschenansammlung. Der Motor schüttelte sich schon wieder.
Wieder ein Stoßgebet, der Käfer möge durchhalten.
Der gesamte Verkehr wurde über die normalerweise gesperrte
Friedrichstraße abgeleitet. Sie erkannten das zuckende
Blaulicht von Feuerwehr- und Rettungsfahrzeugen. Unzählige
Schaulustige waren herbeigeeilt, um sich die Rettungsaktion der
Feuerwehr live anzuschauen. Vielleicht wollten sie auch nur mal
eine Hand voller leicht bekleideter Nutten sehen, die sich fast
nackt vor den Flammen gerettet hatten. Wie Stefan wusste, befand
sich Gembowskys Bar schräg gegenüber vom Kaufhof; in dem
Gebäude, in dem sich auch ein Kino befand. Ein quadratischer
Gebäudekomplex mit Zugängen von beiden Seiten. Die kleine
Passage samt Sexshop führte durch den Bau und verband die
Neumarktstraße mit der Klotzbahn.
»Da ist kein
Durchkommen«, bemerkte Peter Göbel und verschränkte
die Arme vor der Brust. Er ließ den Blick über den
Wochenmarkt gleiten und stellte fest, dass sogar einige
Händler ihre Gemüsestände kurzfristig geschlossen
hatten, um zum Ort des Geschehens zu eilen.
»So was
Sensationsgeiles.« Peter schüttelte den Kopf, als ihnen
beinahe ein untersetzter Südländer mit
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