Das Schwebebahn-Komplott
sind mehr als sechzig Jahre. Auch eine Stadt mit fast
vierhunderttausend Einwohnern ist ein Dorf, wenn Sie verstehen. Es
gibt Menschen, die sehen Sie und haben sie im nächsten Moment
schon wieder vergessen.« Er lächelte versonnen.
»Und dann gibt es Typen, die sehen Sie immer wieder.
Spielberg war so ein Typ. Eine schillernde Gestalt. Ich kannte ihn
von früher. In den fünfziger Jahren hat er sein erstes
Mietshaus in Barmen errichtet. Seitdem hat sein Weg steil nach oben
geführt. Wer Ruhm und Erfolg hat, besitzt aber nicht nur
Freunde. Und die«, er senkte seine Stimme und ließ den
Blick durch die Cafeteria gleiten, »die Leute, die ihm nicht
gut gesonnen waren, hat er sich gekauft, um ihre Sympathien zu
erwerben. Irgendwann tauchte dieser Gembowsky auf der
Bildfläche auf. Das war in den siebziger Jahren und Spielberg
war steinreich und ein arrogantes Arschloch geworden. Ihm
gehörte die halbe Stadt, und dann kam so einer aus Solingen,
der ihm an den Karren fahren wollte. Gembowsky stammte
ursprünglich aus dem Ruhrgebiet. Als ihm dort die Luft wegen
windiger Geschäfte zu eng geworden war, suchte er ein neues
Spielfeld. Er machte in Immobilien.«
»Wie
Spielberg«, kombinierte Stefan.
»Exakt.«
Zoch nippte scheinbar gedankenverloren an seinem Kaffee. »Er
steckte sein ganzes Geld in die ersten Nachtclubs, schleppte
Mädchen aus dem Ausland an, die in den Etablissements für
ihn arbeiteten und ...«
»Anschafften?«,
brachte es Stefan auf den Punkt und leerte seine Cola.
»Genau.
Gembowsky war Spielbergs natürlicher Feind. Sie
verbündeten sich, fragen Sie mich aber nicht, wer wen kaufte.
Gehen Sie davon aus, dass Gembowsky hinter dem Tod von Rolf
Spielberg steckt.«
Das wusste Stefan
besser, hatte er doch von Spielbergs Bruder ein Geständnis
bekommen, bevor dieser sich umgebracht hatte. Da er jedoch keine
Ahnung hatte, was Hans Zoch aus den Medien wusste, schwieg
er.
*
Käfer-Klaus war
in der Siedlung bekannt wie ein bunter Hund. Als Stefan einen
Nachbarn nach ihm fragte, da Klaus nicht in seiner Gartenlaube
anzutreffen war, unterbrach dieser seine Arbeit und stützte
sich auf den hölzernen Stiel seiner Hacke, mit der er das
Gemüsebeet beackert hatte. Mit einem knappen Nicken hatte er
sich als Tabbert vorgestellt, Robert Tabbert. »Wie die
Wohnwagenmarke«, hatte der rüstige Rentner kichernd
hinzugefügt und sich einen Schluck aus der bereitstehenden
Bierflasche genehmigt. Der Mann trug einen verschlissenen
Arbeitsanzug, Handschuhe und einen Cordhut auf dem Kopf. Den Hut
schob er sich in den Nacken und wischte sich mit einem
Stofftaschentuch den Schweiß von der
Stirn.
»Wissen
Sie«, sagte er und erinnerte Stefan irgendwie an Hans Zoch,
»der Käfer-Klaus ist so komisch geworden in der letzten
Zeit.« Tabbert musterte seinen Besucher.
»Komisch?«, fragte
Stefan und runzelte die Stirn. Insgeheim hoffte er, bei Tabbert den
Eindruck zu erwecken, Klaus und er seien uralte Freunde.
»Ja«,
nickte Käfer-Klaus' Gartennachbar und trank noch mal aus der
Flasche, bevor er das leere Gefäß zu Boden warf. Der
Mutterboden, auf dem er stand war weich genug. Die Flasche hielt.
»Ich meine, seit der Scheidung von Tanja. Ein
herrschsüchtiges Weib.« Robert Tabbert lüpfte
seinen Cordhut, bevor er fortfuhr. »Sie war bildhübsch,
hatte tolle Brüste und einen Hintern ...« Er
errötete, als er Stefans verdutztes Gesicht bemerkte.
»Aber Sie sollen keinen falschen Eindruck von mir kriegen. Als Mann in
meinem Alter ist man nicht so weit ab vom Weltlichen, wie das
manche junge Leute denken. Wir freuen uns auch, wenn wir so ein
hübsches Ding sehen.«
›Geiler
Bock‹, durchzuckte es den Reporter. Äußerlich
ließ er sich jedoch nichts anmerken. »Und die Scheidung
hat er nicht verkraftet?«
»Nein, das ist
es nicht. Klaus weiß, dass er andere Frauen haben könnte
als diese launische Ziege. Aber Diana ... Sie ist gerade mal sechs
Jahre alt und fehlt ihm sehr.« Tabbert schüttelte
mitleidig den Kopf.
»Aber sie sind
doch schon so lange getrennt«, behauptete Stefan. Eigentlich
wunderte er sich, wie leicht sein Gegenüber sich aushorchen
ließ. Robert Tabbert merkte nicht einmal, dass Seiler
bluffte.
»Ein ganzes
Jahr«, nickte er nachdenklich. »Und die Schulden, die
sie auf seinen Namen gemacht haben, erdrücken den armen
Kerl.«
»Was ich
eigentlich nie verstanden habe«, fuhr Stefan mit dem
begonnenen Spiel fort, »warum haben Klaus und Tanja sich
getrennt? Ich meine, Klaus ist
Weitere Kostenlose Bücher