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Das Schweigen der Laemmer

Das Schweigen der Laemmer

Titel: Das Schweigen der Laemmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Harris
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verletzte, aber er mußte es versuchen. Und zwar sofort.
    Er zog sich aus und zog den Bademantel an - er beendete eine Ernte immer nackt und blutig wie ein Neugeborenes.
    Aus seinem riesengroßen Medizinschrank nahm er die Salbe heraus, die er Precious aufgetragen hatte, als die Katze sie gekratzt hatte. Er holte einige kleine Pflaster und Wattestäbchen und den ›elizabethanischen Kragen‹ heraus, den der Tierarzt ihm gegeben hatte, damit sie eine wunde Stelle nicht mit den Zähnen be-arbeitete. Im Keller hatte er Zungenspatel, die er als Schienen für ihr kleines gebrochenes Bein verwenden konnte, und eine Tube schmerzstillender Salbe, um den Schmerz zu lindern, falls das dumme Ding sie beim Umsichschlagen, ehe es starb, kratzte.
    Ein sorgfältiger Kopfschuß, und er würde einfach das Haar opfern. Precious war ihm mehr wert als das Haar. Das Haar war ein Opfer, eine Darbringung für ihre Sicherheit.
    Nun leise die Treppe hinunter, in die Küche. Aus seinen Haus-schuhen und die dunkle Kellertreppe hinunter, sich dabei dicht an der Wand haltend, damit die Treppe nicht knarrte.
    Er schaltete nicht das Licht an. Am Fuß der Treppe bog er nach rechts in den Arbeitsraum, bewegte sich durch Tasten im vertrauten Dunkeln, spürte die Veränderung des Bodens unter den Füßen. Sein Ärmel strich am Käfig vorbei, und er hörte das leise ärger-liche Zirpen einer Brutmotte. Hier war der Wandschrank. Er fand seine Infrarotla mpe und streifte sich die Schutzbrille über den Kopf. Nun glühte die Welt grün. Beim warmen Zischen der Dampfrohre, beim tröstlichen Plätschern der Tanks stand er einen Augenblick da. Gebieter der Dunkelheit, Königin der Dunkelheit.
    Falter frei in der Luft zogen grünfluoreszierende Spuren über sein Blickfeld, bliesen sanften Hauch über sein Gesicht, als ihre flaumigen Flügel das Dunkel streiften.
    Er überprüfte den Colt Python. Er war mit 38er Special Blei-Dumdums geladen. Sie würden explosionsartig in den Schädel einschlagen und sich zu sofortiger Vernichtung zerlegen. Sollte es stehen, wenn er schoß, so war es weniger wahrscheinlich als bei einer Magnum, daß das Geschoß - falls er von oben in den Kopf hinunterfeuerte - durch den Unterkiefer austrat und den Busen zerfetzte.
    Leise, ganz leise kroch er mit gebeugten Knien entlang, fand mit den gelackten Zehen auf den alten Dielen Halt. Lautlos auf dem Sandboden des Verlieses. Leise, aber nicht zu langsam. Er wollte nicht, daß sein Geruch Zeit hatte, den kleinen Hund auf dem Grund des Brunnens zu erreichen.
    Der obere Teil vom Verlies glühte grün, Steine und Mörtel deutlich erkennbar, die Maserung des Holzdeckels in seinem Blickfeld scharf. Halt das Licht und beug dich vor. Da waren sie.
    Es lag auf der Seite wie eine Riesengarnele. Vielleicht schlafend.
    Precious war dicht gegen seinen Körper gerollt, bestimmt schla -
    fend, o bitte nicht tot!
    Der Kopf war freigelegt. Ein Halsschuß war verlockend - das Haar retten. Zu riskant.
    Mr. Gumb beugte sich über das Loch und spähte mit den Stiel-augen seiner Schutzbrille hinunter. Der Colt Python liegt mit seinem schweren Lauf gut in der Hand, und wie kann man herrlich mit ihm zielen! Muß ihn in den Strahl der Infrarotlampe halten.
    Er stellte die Visiereinrichtungen auf die Seite des Kopfs ein, genau da, wo das Haar feucht an der Schläfe klebte.
    Geruch oder Geräusch, er wußte es nicht - doch Precious wach und am Jaulen, in der Dunkelheit geradewegs hochspringend, Catherine Martin sich um den kleinen Hund schlingend und die Decke über sie ziehend. Nur unförmige Klumpen, die sich unter der Decke bewegten, er konnte nicht ausmachen, was Hund und was Catherine war. Im Infrarotlicht hinunterschauend, war seine Tiefenwahrnehmung beeinträchtigt. Er konnte nicht sagen, welche Klumpen Catherine waren.
    Er hatte Precious jedoch springen sehen. Er wußte, daß ihr Bein in Ordnung war, und sofort wußte er noch etwas: Catherine Baker Martin würde den Hund nicht verletzen, ebensowenig wie er das täte. Oh, süße Erleichterung. Wegen ihres geteilten Gefühls konnte er sie in die gottverdammten Beine schießen und, wenn sie die Beine umklammerte, ihr den verdammten Kopf wegblasen.
    Keine Vorsicht notwendig.
    Er knipste die Lichter, die ganzen verdammten Lichter im Keller an und holte das Flutlic ht aus dem Lagerraum. Er hatte sich in der Kontrolle, er dachte gut und logisch - auf seinem Weg durch den Arbeitsraum vergaß er nicht, etwas Wasser in die Becken laufen zu lassen, damit in den

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