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Das Schweigen der Schwaene

Das Schweigen der Schwaene

Titel: Das Schweigen der Schwaene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Johansen
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ihre Gegenwart nahm der Raum etwas Düsteres an.
    Sie hatte gesagt, ihre Schuld gegenüber Nicholas ginge nur sie alleine etwas an.
    Das stimmte nicht.
    Nicholas hatte Tania in sein Leben gebracht. Diese Schuld könnte er niemals zurückbezahlen, selbst wenn ihn der Hund für den Rest seines Lebens mit seinen verwundeten Streunern belieferte.
    »Zum Teufel mit dem Kerl.«
    Vielleicht war es wirklich an der Zeit, daß er etwas Eigenes, etwas Neues schuf?
    »Was machst du denn hier? «
    Nicholas blickte auf, als Joel das Krankenzimmer betrat.
    »Dasselbe könnte ich dich fragen«, sagte er.
    »Ich gehöre hierher.«
    »Für gewöhnlich machen Schönheitschirurgen ihre Runden aber nicht abends um elf.«
    Joel sah sich die Fieberkurve an. »Ist sie zwischendurch aufgewacht? «
    »Für ein oder zwei Minuten. Sie dachte, sie stirbt.« Er machte eine Pause. »Sie hat nach ihrer Tochter gefragt.«
    »Weiß sie nicht, daß ihr Mann und ihre Tochter umgekommen sind? «
    »Noch nicht. Ich dachte, sie hätte im Augenblick genug mit sich selbst zu tun.«
    »Zu viel. Erst die Operation und dann die psychologische Gewöhnung an ihr neues Gesicht.« Er verzog das Gesicht.
    »Kommt dann noch der traumatische Verlust ihrer Familie dazu, kann das zu einem Zusammenbruch führen, wenn sie nicht stark genug ist. Was für eine Art Frau ist sie? «
    »Nicht unbedingt die Stärkste.« Mit einem Mal dachte er an Nell Calders Gesicht, als sie aus dem Zimmer ihrer Tochter gekommen war. »Weich, sanft. Sie war verrückt nach dem Kind.
    Man sah, daß ihre Welt nur aus ihrer Tochter bestand.«
    »Na großartig.« Joel fuhr sich müde mit der Hand durch das lockige braune Haar. »Hat sie sonst noch Verwandte? «
    »Ihre Eltern sind tot.«
    »Einen Beruf? «
    »Nein.«
    »Scheiße.«
    »Sie hat drei Jahre lang auf dem ›William & Mary-College‹
    Kunst studiert. Dann wechselte sie nach Greenbriar, wo sie ein Lehramtsstudium begann. Dort hat sie auch den
    Wirtschaftsstudenten Richard Calder kennengelernt. Offenbar war er eine äußerst gute Partie - brillant, charismatisch und ehrgeizig. Drei Wochen, nachdem sie wieder nach Hause gezogen war, hat sie ihn geheiratet und mit dem Studium aufgehört. Ein Jahr später kam dann Jill auf die Welt.«
    »Warum hat sie das Kunststudium abgebrochen? «
    Nicholas schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung. Ich werde später versuchen, die Lücken in ihrem Lebenslauf auszufüllen.«
    »Es wird nicht leicht werden.«
    »Aber du nimmst dich ihrer an? «
    »Vielleicht wü nschst du eines Tages, ich hätte es nicht getan.
    Die Arbeit, die ich an Tania geleistet habe, war das reinste Kinderspiel im Vergleich zu den chirurgischen Eingriffen, die bei ihr erforderlich sind. Ich denke, am besten bezahlst du mir dafür mein neues Haus am See.«
    Nicholas verzog das Gesicht. »Vielleicht ein bißchen viel.«
    » Sie muss spüren, daß irgendetwas nicht stimmt, und wir können es ihr nicht ewig verschweigen. Du wirst ihr wohl oder übel beibringen müssen, daß sie keine Familie mehr hat.«
    »Und warum fällt ausgerechnet mir diese ehrenvolle Aufgabe zu? «
    »Ich will nicht, daß sie mich mit dieser Schreckensnachricht identifiziert. Ich muß für sie Hoffnung und ein neues Leben repräsentieren. Sag du es ihr, und dann fahr einfach nach Hause.
    Sie will dich danach bestimmt erst einmal längere Zeit nicht sehen.«
    »Einer von uns ist also der brutale Cop und der andere der Freund und Helfer in der Not? «
    Joel zog die Brauen hoch. »Ich denke, du weißt besser als ich über die Vorgehensweisen der Polizei Bescheid, aber auf jeden Fall hast du die Grundidee erfasst.« Er wurde zusehends besser gelaunt. »Wir können nicht zulassen, daß Supermanns Umhang
    Flecken bekommt. Morgen werde ich die Dosis der
    Beruhigungsmittel senken, damit sie wach genug ist, um zu verstehen, was du ihr zu sagen hast.«
    »Vielen Dank.«
    Joels Lächeln schwand. »Sei sanft zu ihr, Nicholas. Es wird ein furchtbarer Schock für sie sein.«
    Dachte er etwa, er würde ihr wehtun, fragte sich Nicholas, doch dann nickte er. »Nicht, daß es irgend etwas nützen wird. Es wird ihr vollkommen egal sein, ob ich sanft wie Jesus Christus bin, sobald ihr klar wird, was sie da aus meinem Mund zu hören bekommt.«
    »Ich werde dann später kommen und ihr erneut ein
    Beruhigungsmittel verpassen.«
    »Wodurch du ihr ihre Schmerzen nimmst? «
    »Klar. Schließlich ist es das, was ein Freund und Helfer für gewöhnlich tut. Deshalb habe ich Medizin studiert.

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