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Das Schweigen der Schwaene

Das Schweigen der Schwaene

Titel: Das Schweigen der Schwaene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Johansen
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dürfte sie wieder in das Zimmer zurück.
    Die Spieluhr klimperte...
    Ab, ab, ab...
    »Es reicht.« Er packte ihren Arm und zerrte sie in das Zimmer zurück. Dann warf er die Tür ins Schloß und drehte den Schlüssel um.
    Sie atmete zitternd ein und mußte einen Augenblick warten, um ihrer Stimme einen ruhigen Klang zu verleihen. »Wie gewalttätig Sie doch manchmal sind. Dachten Sie etwa, ich wollte springen? «
    »Nein, ich denke, Sie haben sich selbst auf die Probe gestellt, um zu sehen, ob Sie in der Lage sind, den Schmerz  durchzustehen. Sie mußten sich beweisen, wie stark Sie sind.
    Hat der Besuch des Grabes Ihrer Tochter nicht gereicht? Warum halten Sie nicht einfach die Hand in eine offene Flamme und warten ab, was passiert? «
    Sie lächelte angestrengt. »Ich habe leider keine Flamme da.«
    »Das ist nicht lustig.«
    »Nein.« Sie kreuzte die Arme vor der Brust, damit er ihr Zittern nicht sah. »Ich habe mich nicht auf die Probe gestellt. Sie verstehen mich nicht.«
    »Dann erklären Sie es mir.«
    »Ich hatte Angst. Ich war noch nie besonders mutig. Aber ich kann es mir nicht mehr leisten, ängstlich zu sein. Der einzige Weg, um seine Angst zu überwinden, ist, der Sache, die man fürchtet, ins Auge zu sehen.«
    »Haben Sie deshalb die Gräber besucht? «
    »Nein, das war etwas anderes.«
    Tut mir leid, Jill. Verzeih mir, Baby.
    Panik wallte in ihr auf, und sie hatte das Gefühl, als löse sie sich langsam, aber sicher auf. Sie wandte ihm den Rücken zu und sagte eilig: »Ich will, daß Sie jetzt gehen. Ich habe keine Angst vor dem armen Kerl, der den Zimmerservice macht, und ich verspreche Ihnen, ich gehe nicht noch mal auf den Balkon hinaus.«
    Er legte seine Hände auf ihre Schultern, und obgleich sie erstarrte, drehte er sie zu sich um. »Ich gehe nicht.«
    Sie starrte blind auf seine Brust. »Bitte«, flüsterte sie.
    »Schon gut.« Er zog sie in seine Arme. »Sie haben das Gefühl, als wären Sie aus Glas gemacht. Lassen Sie sich gehen. Ich bin nicht wichtig. Ich bin einfach da.«
    Sie stand stocksteif da und starrte blind geradeaus.
    Auf, auf, auf...
    Langsam sank ihr Kopf an seine Brust, und er legte seine Arme  enger um sie. Wie er gesagt hatte, war er einfach da. Und statt Intimität gab er ihr Nähe. Leben. Trost.
    Sie lehnte lange Zeit an seiner Brust, doch dann zwang sie sich, einen Schritt zurückzugehen. »Ich wollte mich Ihnen nicht aufdrängen. Bitte entschuldigen Sie.«
    Er lächelte. »Schon wieder dieses vorzügliche Benehmen. Das war eins der ersten Dinge, die mir an Ihnen aufgefallen sind.
    Haben Sie das von Ihrer Mutter gelernt? «
    »Nein, meine Mutter war Professorin für Mathematik und hatte viel zuviel zu tun. Eigentlich bin ich bei meiner Großmutter aufgewachsen.«
    »Und die starb, als Sie dreizehn waren? «
    Sie war überrascht, doch dann erinnerte sie sich an die Akte, von der zuvor einmal die Rede gewesen war. »Sie haben ein gutes Gedächtnis. Dieser Bericht über mich muß ziemlich vollständig gewesen sein.«
    »Aber er enthielt nichts darüber, daß Jill nicht Calders Tochter war.«
    Sie spannte sich automatisch an, doch dann fiel ihr ein, daß es nicht länger von Bedeutung war. Es gab keine Jill mehr, die es zu schützen, keine Eltern mehr, denen es zu gefallen galt.
    Warum also erzählte sie es ihm nicht ? Alles andere wußte er ja bereits. »Nein, das denke ich mir. Meine Eltern haben diese Tatsache geschickt kaschiert. Sie wollten, daß ich eine Abtreibung vornehmen lasse, und als ich mich weigerte, haben sie sich die größte Mühe gegeben, um der ganzen Sache einen legitimen Anstrich zu verleihen.«
    »Wer war der Vater? «
    »Bill Wazinski, ein Kunststudent, dem ich während meiner Zeit auf dem William & Mary-College begegnete.«
    »Haben Sie ihn geliebt? «
    Hatte sie ihn geliebt? »Damals habe ich mir eingeredet, daß ich  ihn liebe. Auf jeden Fall habe ich große Lust empfunden mit ihm.« Sie schüttelte den Kopf. »Wahrscheinlich nicht. Wir haben beide das Leben und Sex und all die wunderbaren Bilder geliebt, von denen wir sicher waren, daß sie einst als Meisterwerke gelten würden. Es war das erste Mal, daß ich nicht zu Hause bei meinen Eltern lebte, und die neue Freiheit hat mich geradezu berauscht.«
    »Und dieser Wazinski war nicht bereit, die Verantwortung für das Kind zu übernehmen? «
    »Ich habe ihm gar nicht gesagt, daß ic h schwanger war. Es war meine Schuld. Ich hatte ihm erzählt, ich nähme die Pille. Sein Vater war Bergmann in West

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