Das Schweigen der Schwaene
es bin. Sie sind so etwas wie eine wilde Karte für mich. Um überhaupt zu verstehen, was in Simpsons Büchern steht, brauche ich auch noch die Bücher von Pardeau in Paris.«
»Warum bezahlst du dann dafür? «
»Manchmal ist eine wilde Karte am Ende so etwas wie ein Trumpf. Weiß Gott, wir waren Gardeaux noch nie so dicht auf den Fersen wie jetzt.« Dann fügte er hinzu: »Außerdem will ich wissen, worum es bei dem Anschlag auf Medas ging.«
»Ich nehme an, du willst, daß ich Simpson die Papiere besorge?« Jamie erhob sich und schlenderte seufzend zum Tele fon. »Wieder einmal hat mich die praktische Welt eingeholt. Schade. Ich saß gerade so schön gemütlich hier herum und habe über eine unsterbliche Ode auf die Augen unserer göttlichen Nell nachgedacht.«
Joel Liebers Haus erinnerte Nell vage an ein Gebäude von Frank Lloyd Wright, das einmal in einer Zeitschrift beschrieben worden war. Es bestand ganz aus geraden, modernen Linien und Glas und war auf subtile Weise in die Umgebung aus Felsen, Gärten und einem kleinen Wasserfall, der sich in einen funkelnden Bach ergoß, integriert.
»Es ist wunderschön«, sagte sie, als sie aus dem Wagen stieg.
»Das sollte es auch sein.« Nicholas führte sie zum Vordereingang. »Schließlich wurde es mit Schönheit finanziert.«
»Tania sagt, Joel leistet ziemlich viel unentgeltliche Arbeit im Wohlfahrtsbereich.«
»Ich kritisiere ihn auch nicht. Ich bin selber ein Kapitalist. Jeder Mensch hat das Recht, die Früchte seiner Arbeit zu genießen.«
»Hi, Nicholas. Schön, dich zu sehen.«
Nell fuhr überrascht herum und sah, daß Phil den Gartenweg herabgeschlendert kam. Er trug Jeans und ein T-Shirt und hatte ein paar Schößlinge in der Hand. »Was machen Sie denn hier? «
Er sah sie mit einem fröhlichen Lächeln an. »Nicholas dachte, ich sollte einfach in der Nähe sein, für den Fall, daß es Ihnen plötzlich wieder schlechter geht. Und solange nichts zu tun ist, läßt mich Dr. Lieber in seinem Garten arbeiten. Als ich noch auf dem College war, habe ich mein Geld als Verkäufer in einer Baumschule verdient. Es ist schön, wieder mal in der Nähe von Blumen zu sein.« Er ging am Ufer des Baches entlang. »Falls Sie mich für irgendetwas brauchen, rufen Sie einfach.«
Nell wandte sich an Nicholas. »Sie wissen, daß es mir nicht noch mal schlechter gehen wird.«
»Das weiß man nie.« Dann sprach er von etwas anderem. »Joel hat gesagt, Sie wollten die Formulare haben, um Ihren Totenschein für ungültig erklären zu lassen. Warum haben Sie mir gegenüber nichts davon erwähnt? «
»Ich habe es mir anders überlegt.«
»Gut. Darf ich fragen, wieso? «
»Ich denke, daß es vielleicht ganz praktisch ist. Von nun an werde ich Eve Billings sein. Ich brauche einen Führerschein und einen Paß auf diesen Namen. Kriegen Sie das für mich hin? «
»Das wird ein paar Tage dauern.«
»Und dann brauche ich noch Geld. Können Sie ein Konto für mich eröffnen und mir etwas überweisen, bis mir wieder mein eigenes Geld zur Verfügung steht? Natürlich kriegen Sie einen Schuldschein von mir dafür.«
»Und ob ich den kriege«, sagte er. »Denn vielleicht muß ich ja versuchen, mein Geld aus Ihrem Nachlaß zu bekommen, wenn Sie es weiterhin darauf anlegen, daß man Sie eines Tages um die Ecke bringt.«
»Sofort? «
»Ich werde noch heute morgen bei Joels Bank ein Konto auf den Namen Eve Billings eröffnen. Die Papiere bekommen Sie dann mit der Post.«
»Danke. Kabler hat mich einfach zu problemlos aufgespürt.
Muß ich fürchten, daß Maritz meine Spur ebenfalls bis zum Krankenhaus verfolgt? «
»Nein.«
Seine Stimme drückte absolute Gewißheit aus. Offenbar hatte er die undichte Stelle gestopft. »Und was ist mit Berichten über meine Operation? «
»Alle vernichtet, bis auf die Unterlagen, die Joel hier im Haus aufbewahrt. Ich werde ihn bitten, daß er auch die in den Aktenvernichter gibt.«
»Gut.« Sie drückte den Klingelknopf. »Ich weiß, ich habe gesagt, ich würde Sie nicht noch einmal um etwas bitten. Ich verspreche, daß dies tatsächlich die letzte Bitte war. Auf Wiedersehen, Nicholas.«
»Klingen Sie doch nicht so endgültig. Wir werden uns wiedersehen. Das heißt, wenn Sie nicht vorher im
Leichenschauhaus...«
»Da bist du ja.« Tania öffnete die Tür und lächelte breit. »Und Nicholas ebenfalls. Das ist gut. Kommt rein, und seht euch an, welches Wunder ich in Joels Haus bewerkstelligt habe.«
»Ein andres Mal. Ich habe es
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