Das Schweigen der Toten
läuft Folge sieben. Schau sie dir an, wenn du willst.»
Kat wollte nicht. Seit ihrer Flucht aus dem Sägewerk wurde sie mit Interviewanfragen überschüttet. Magazine und Nachrichtensender wollten Exklusivrechte an ihrer Geschichte. Ein Verlag, der sich auf wahre Kriminalfälle spezialisiert hatte, drängte sie, ein Buch zu schreiben.
Was den Fall so faszinierend machte, war für sie durchaus nachvollziehbar. Martin, als Kind dazu gezwungen, seinen eigenen Vater einzubalsamieren, hatte unschuldige Opfer einer ähnlichen Behandlung unterzogen, unter anderem jemanden, der seinem Vater ähnlich sah. Eine schaurige Vorstellung.
Obwohl sie es nie würde beweisen können, glaubte Kat, Arthur McNeil hatte gewusst, dass Martin der Mörder war. Wahrscheinlich war ihm auch bewusst gewesen, dass er es war, sein Missbrauch, der ihn dazu gebracht hatte. Nur so waren sein seltsames Geständnis und der anschließende Selbstmord zu verstehen. Er hatte gehofft, sich so von seiner Schuld zu befreien.
Arthurs Vergehen waren monströs, doch die Schuld an den Morden traf Martin allein. Er hatte viel Zeit auf ihre Planung verwandt und schien Gefallen daran gefunden zu haben. Werkzeuge, Chloroform, Formalin, seine OP -Kittel, all das hatte er sich im Internet beschafft, was dank der Browserchronik seines Computers, der bei der Durchsuchung seiner Wohnung sichergestellt worden war, nachgewiesen werden konnte. Sämtliche Einkäufe waren an verschiedene Bankschließfächer ausgeliefert worden, die er alle unter dem Namen Ester Domit angemietet hatte.
Die tragbaren Faxgeräte waren allerdings von jemand anderem beschafft worden. Der Verkäufer von
Best Buy
hatte Deana als Kundin identifiziert.
Zwei Tage nach Martins Tod hatte Deana gestanden, die Geräte im Auftrag ihres Bruders erworben zu haben. Auf ihre Frage, wozu er sie brauche, hatte er ihr gesagt, sie seien für die Redaktion der
Gazette
bestimmt. Er hatte ihr das Geld für den Kauf in bar gegeben und später den jeweiligen Anschluss wiederum unter dem Namen Ester Domit registrieren lassen.
Kat glaubte Deana, dass sie von ihrem eigentlichen Zweck nichts gewusst hatte. Eine solche Erschütterung ließ sich nicht vortäuschen. Dass Deana indirekt an den Morden beteiligt war, belastete sie sehr. Ihr Bruder war ein Killer, ihr Geliebter sein Opfer, und um beide trauerte sie.
Ironischerweise war die
Perry Hollow Gazette
das einzige Blatt, das nicht um Kats Aufmerksamkeit buhlte. Als sein wichtigster Reporter als Serienmörder überführt worden war, hatte der Verlag den Betrieb eingestellt.
Aber selbst wenn es die
Gazette
noch gegeben hätte, hätte Kat ihr kein Interview gegeben. Sie lehnte jede Anfrage ab, selbst die von der
New York Times
oder von
Good Morning America
.
Ihre Gründe waren leicht zu verstehen.
Zum einen wollte sie über das, was geschehen war, kein Wort mehr verlieren. Fast wäre sie in jener Nacht ums Leben gekommen. Genau wie ihr Sohn. Sie wollte an Martin Swan nicht erinnert werden, geschweige denn mit Fremden über ihn reden, die nicht annähernd nachzuvollziehen vermochten, welche Schrecken sie erfahren hatte.
Zum anderen widerstrebte es ihr, sich zur Heldin machen zu lassen, denn die Rolle des Helden gebührte einzig und allein Henry. Er hatte am meisten gesehen und erlitten.
Und er schwieg sich darüber aus.
Kat hatte ihn nach der Nacht im brennenden Sägewerk nicht mehr gesehen. Wegen seiner schweren Verletzungen war er mit einem Hubschrauber in ein Krankenhaus nach Philadelphia gebracht worden. Als Kat wieder auf den Beinen war, hatte sie ihn besuchen wollen, doch er war verschwunden.
Nick Donnelly hingegen akzeptierte alle Angebote, die Kat abgelehnt hatte, auch das, ein Buch über die Ereignisse zu schreiben. Er rief sie regelmäßig an und erzählte ihr von all den Leuten, die er dadurch kennengelernt hatte. Sie hörte immer geduldig zu und versicherte ihm jedes Mal, dass sie sich für ihn freute.
«Und wie hast du Silvester verbracht?», fragte er.
«Auf der Couch, mit James vor dem Fernseher. Und du?»
«In Philadelphia, bei einer Spendengala zugunsten meiner Stiftung. Hätte dich dort gern gesehen. Du hast doch eine Einladung von mir gekriegt, oder?»
«Ja, aber ich bin leider kein Gala-Girl», sagte sie.
Nick hatte sich einem Untersuchungsausschuss der Landespolizei stellen müssen, der ihn für den Verkehrsunfall verantwortlich machte, bei dem Amber Lefferts verletzt worden war. Der tätliche Angriff auf den Pfleger im Krankenhaus
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