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Das Schweigen der Toten

Das Schweigen der Toten

Titel: Das Schweigen der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Todd Ritter
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ich bei George falsch gemacht, am Ende hat’s aber doch irgendwie hingehauen.»
    Er schien sich jetzt beeilen zu wollen. Henry verkrampfte in seiner Ohnmacht. Er hatte keine Kontrolle mehr über seinen Körper, diesen noch lebenden Kadaver, der von hartem, kaltem Stahl traktiert wurde.
    Als Martin das gesuchte Gefäß am Haken hatte, setzten die Zuckungen kurz aus. Henrys Nacken erstarrte. Die Kehle war ihm wie zugeschnürt.
    Er spürte den Zug an der Vene, konnte nicht mehr atmen, nicht schlucken. Die Muskeln versagten ihren Dienst. Unwillkürlich bildete sich ein ächzender Laut in der Kehle, der über die Zunge und die zerrissenen Lippen nach draußen drang.
    «Nein», röchelte er.
    Doch Henry wusste, dass er nun sterben musste. Die Nerven schienen sich auf das Ende eingestellt zu haben und ließen ihn zucken und röcheln.
    Mit einem schmatzenden Geräusch, als würde ein Fuß aus dem Schlamm gezogen, trat die Vene ins Freie. Henrys rasendes Herz schlug plötzlich langsamer. Obwohl er die Augen geöffnet hatte, sah er nichts als weißen Dunst.
    Das Ächzen in der Kehle verstärkte sich allmählich zu einem gutturalen Zischlaut.
    Die Ohren waren wie verstopft. Er hörte kaum, was Martin vor sich hin murmelte.
    «Gleich schneide ich die Halsschlagader auf.»
    Henrys Körper bäumte sich ein letztes Mal auf. Das Herz fing wieder an zu rasen. Er konnte wieder hören und sehen und richtete den Blick auf Martin, der über ihm schwebte, den Haken in der linken, das Skalpell in der rechten Hand, mit denen er offenbar gleichzeitig zu Werke gehen wollte.
    Martin holte tief Luft und setzte das Skalpell an.
    Henry wusste mit kristallklarer Deutlichkeit, dass ihm nur noch wenige Sekunden blieben, um sein Leben zu retten. Mit seinem gefesselten Körper war er dazu nicht mehr in der Lage, nur noch mit seinem Verstand – und seiner Stimme.
    Als er die Stimme erhob, spürte er, wie die Arterie freigelegt wurde.
    «Bitte. Nein.»
    «Tut mir leid», sagte Martin. «Es führt kein Weg daran vorbei.»
    «Doch.»
    Es war nicht Henry, der das sagte, sondern eine Stimme im Hintergrund. Als sie weitersprach, wusste Henry, wem sie gehörte.
    «Du legst jetzt das Skalpell aus der Hand, Martin», sagte Kat Campbell. «Sofort.»

Achtunddreißig
    Kat war von Henrys schaurigen Lauten durch den dunklen Flur über eine halsbrecherische Stiege in den Keller der alten Ruine gelotst worden. Es war ein weiträumiges Verlies mit einer einzigen schwachen Lichtquelle, in deren Schein sie Martin sofort ausgemacht hatte.
    Er war ähnlich ausstaffiert wie Robert damals, als sie ihm über die Schulter geschaut hatte. Mit Kittel, Schürze, Handschuhen und einer Haube auf dem Kopf. Die Schuhe steckten in Papierschonern. Das erklärte, warum an den Mordopfern keinerlei Kontaktspuren gefunden worden waren.
    Martin stand vor einem Tisch und versperrte Kat die Sicht darauf. Von ihrem Standpunkt aus waren nur zwei ausgestreckte und mit einem Seil verschnürte Beine zu erkennen. Henrys Beine.
    Martin hielt ein Skalpell in der Hand und führte es auf eine Stelle zu, die Kat nicht sehen konnte. Es war in diesem Moment, dass sie ihre Waffe hob, auf Martins Kopf zielte und sich bemerkbar machte.
    Er rührte sich nicht.
    «Ich zähle bis drei. Wenn du das Skalpell dann immer noch nicht abgelegt hast, schieße ich.»
    Sie meinte es ernst. Beide Arme ausgestreckt, hielt sie die Glock fest in der Hand, den Zeigefinger am Abzug. Sie war nicht gewalttätig, überhaupt nicht. Aber Martin hatte die Stadt aufgebracht und spukte seit Monaten durch ihre Träume. Er hatte ihrem Sohn aufgelauert und ihm einen Schrecken eingejagt, von dem er sich womöglich nie mehr ganz erholen würde. Es wäre ihr durchaus eine Genugtuung, ihn auf der Stelle niederzustrecken.
    «Eins», sagte sie.
    Martin hob beide Arme.
    «Zwei.»
    Er ließ das Skalpell fallen.
    «Drei.»
    Er wich zurück und gab den Blick auf Henry frei, der mit nacktem Oberkörper auf dem Tisch lag, an vier Stellen gefesselt und blutüberströmt, aber noch am Leben.
    Die Pistole auf Martin gerichtet, rückte sie näher.
    «Die Hände bleiben oben. Und jetzt nimm zehn Schritte Abstand», sagte sie. «Wenn es nur neun sind oder wenn du versuchst zu fliehen, drücke ich ab.»
    Martin gehorchte. Kat zählte seine Schritte mit und bewegte sich im gleichen Tempo auf den Tisch zu. Als sie sich Henry näherte, sah sie die klaffende Wunde am Hals und ein wurmähnliches Blutgefäß, das daraus hervorquoll. Vor dem Tisch angelangt,

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