Das Schwein - Ein obzoener Thriller
der Rückbank des Deville. Es kam ihm wie ein Traum vor. Charles Mingus und Blue-Note-Jazz trieben kaum hörbar vom Radio nach hinten und Leonard schien über der hochwertigen Aufhängung des Cadillacs regelrecht zu schweben. Er döste unregelmäßig weg und träumte vom süßen Nichts. Aber einige Zeit später begannen die Stoßdämpfer des langen Wagens zu quietschen und Leonard fuhr mit einem Ruck aus dem Schlaf hoch.
Er konnte den holprigen und regelmäßig knallenden Lärm hören, den die Reifen auf der kurvenreichen Schotterpiste verursachten. Durch die hintere Scheibe sah er den Mond, die Sterne und den Himmel über sich. Das erinnerte ihn an ein Gedicht, das er mal gelesen hatte: Auf dem Mond, in den Sternen, im Himmel dort droben, vergehen selbst die Engel verbrannt von all meiner Liebe.
Dann fragte er sich: Was hält der Himmel für mich bereit?
Der Wagen kam zum Stehen und er hörte ein Geräusch. Ein Geräusch, das einen zentralen Aspekt seines Lebens im kommenden Jahr verkörperte.
Das Geräusch eines bellenden Hundes.
»Hauptsächlich Hundefilme«, informierte ihn Rocco, als sie das kleine heruntergekommene Haus auf dem Hügel betraten. »Das ist es, was du drehen wirst. Da draußen gibt es einen Zwinger, in dem wir die Köter halten. Sorg dafür, dass sie mindestens zweimal am Tag gefüttert werden, sonst versuchen sie nachher noch, die Mädchen zu fressen.«
Leonard folgte ihnen hinein und versuchte, dabei so viel wie möglich von seiner Ausrüstung auf dem Arm zu balancieren. Der Schmerz in seinem Schritt vermischte sich mit der völligen Verwirrung, mit der ihn seine Seele überschwemmte. Er konnte nicht einmal richtig verarbeiten, was Rocco ihm da erzählte. Der Raum, in den sie hineintraten, war eine dreckige Küche, die mit allerlei antiken Gerätschaften ausgestattet war. Ein unangenehmer, fleischiger Geruch hing in der Luft. »Jesus, dieser verfickte Ort stinkt schlimmer als das Schlachthofviertel«, beschwerte sich Rocco mit heftigem Zucken in den Augen.
»Das ist nun mal so bei Nutten«, erläuterte Knuckles mit der Monotonie eines Schwachsinnigen. »Sie waschen sich nicht.«
»Wir sollten sie im Hudson River versenken, aber das würde vermutlich die Fische umbringen.«
Rocco und Knuckles brachen in ihr schon bekanntes Gelächter aus.
»Hier rein, Kleiner.«
Leonard, der immer noch in sich versunken und schwer beladen mit Equipment war, folgte Rocco stumm in einen Raum abseits der Küche. Ein Licht flackerte auf. »Ist dein Scheiß besser als der von diesem Typen?«, fragte Rocco.
Leonard sah sich um. Das Kämmerchen war mit Gerümpel und Filmdosen gefüllt. Filmstreifen lagen auf dem Boden. Es war ein provisorischer Schneideraum, so viel konnte er sehen. Eine Arbeitsbank beherbergte einen selbstklebenden Filmabroller und eine schäbige Schneidemaschine von RealView mit Handkurbel und mickrigem 12-Zentimeter-Kontrollmonitor. Daneben lag eine Super-8-Kamera von Bell & Howell. »Oh ja«, schaffte es Leonard schließlich, mit gewissem Stolz in der Stimme zu antworten. »Das ist alles 8 Millimeter. Ich drehe in 16. Bessere Körnung, bessere Auflösung.«
»Gut, Kleiner. Da drüben ist die Dunkelkammer. Irgend ’ne große, schicke Maschine, die wir kauf’n mussten. Hoffe, du weißt, wie man die bedient.«
Noch eine Tür. Leonard trat hindurch und entdeckte vertraute chemische Gerüche und ein neueres Modell der Kodak-ES-Filmentwickler mit einer Zuführschiene, die sich auf Filmgrößen zwischen acht und 35 Millimetern anpassen ließ. »Damit komme ich problemlos klar«, sagte Leonard. »Ich habe Kamerakurse für Fortgeschrittene am College besucht.«
»Gut, Kleiner. Siehst du die Dosen dort?« Rocco zeigte auf ein Regal voller Filmdosen aus Plastik und Metall mit 15 bis 75 Metern Lauflänge. »Sieh dir am besten ein paar davon an, damit du weißt, was für Filme du drehen wirst. Der letzte Typ war ein Arschloch, aber er war ziemlich gut, also solltest du besser verdammt anständiges Material abliefern. Wenn du das nicht hinkriegst, geht es für dich ab in den Hudson.«
Es war schwierig, all diese Informationen zu verarbeiten, wenn man sich die Rahmenbedingungen vor Augen führte: mitten in der Nacht aus der eigenen Wohnung herausgerissen, weg vom bisherigen Leben und sämtlichen Sehnsüchten. Nicht zu vergessen den linken Hoden, der aus seinen Genitalien herausgerissen worden war.
Rocco grinste. »Nimm’s nicht persönlich, Kleiner. Aber so ist das Leben nun mal. Wir bekommen
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