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Das Schwein sieht Gespenster: Roman (German Edition)

Das Schwein sieht Gespenster: Roman (German Edition)

Titel: Das Schwein sieht Gespenster: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Caldwell
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von ihm loszureißen.
    »Geh nicht!«, schrie Aaron, »Keine Bewegung!«
    »Declan steht dort. Ich weiß, er ist es.«
    »Du kannst nicht weiter. Der Abbruch der Klippe ist direkt vor uns.«
    »Ich muss ihn sehen.«
    »Ihn sehen, geht überhaupt nicht.«
    »Aber ich habe ihn doch gerade gesehen, du auch.«
    »Das war nicht Declan. Wie oft soll ich’s noch sagen? Die Klippe …«
    »Ich kann dir jetzt beweisen, das ist …«
    »Das kannst du nicht. Was wir gesehen haben, war irgendwas im Nebel. Hätte sonst wer sein können, alles, was du willst.«
    »Trotzdem, das war Declan.«
    »Lolly, er ist tot.«
    »Was macht das schon?«
    Aaron unterließ es, ihr zu antworten. Als Lolly wieder etwas sagte, klang es sehr leise. »Können wir hier nicht bleiben? Nur noch ein Weilchen? So nebeneinander? Ohne irgendwen zwischen uns, bloß wir beide. Hier, wo das Haus stand. Und wo jetzt alles weg ist.«
    »Auch das Grab.«
    »Ja, und das Grab, auch das ist weg.«
    Schweigend standen sie beieinander. Mit dem Taschentuch tupfte Aaron Schweißperlen von Lollys Stirn. »Danke«, sagte sie.
    »Gehen wir also.« Er schob das Tuch in die Hosentasche, drehte sich nach angemessener Pause um und machte sich auf den Rückweg. Lolly folgte ihm. Während sie über die Wiese schritten, fragte Aaron: »Du liebst ihn, stimmt’s? So, wie du seinen Namen gerufen hast.«
    »Dich liebe ich.«
    »Das weiß ich. Aber du liebst auch ihn.«
    »Er ist doch tot.«
    Aarons Antwort kam sofort. »Was macht das schon?«

Kapitel 2
     
     
    Kitty McCloud stand auf den Zinnen ihrer Burg Kissane und war mit sich uneins, ob sie sich eher erheitert als erlöst oder eher erlöst als erheitert fühlen sollte. Vielleicht beides gleichermaßen. Ziemlich oft begab sie sich an diesen Zufluchtsort – mit der großartigen Aussicht über die Grafschaft Kerry, die niedrigen Berge und die bewegte See –, um den Konflikt zwischen ihrem innersten Wesen und dem gerade in Arbeit befindlichen widerborstigen Roman beizulegen. Ihren gegenwärtig unbeschwerten Zustand verdankte sie einer E-Mail von ihrer Agentin in Dublin, einer Fiona O’Toole. Kitty hatte Ms O’Toole gegenüber geäußert, dass sie vorhabe, sich über die einzige hochheilige Autorin herzumachen – Jane Austen –, die bislang von ihren eigenwilligen »Korrekturen« verschont geblieben war. Charlotte Brontë, Thomas Hardy, George Eliot und anderen, ja selbst Dickens, war dieses Glück nicht beschieden gewesen. Mit ihrem beachtlichen Talent nahm Kitty es auf sich, die haarsträubenden Irrtümer vieler bewunderter Vorläufer auszumerzen.
Ihr
Werk war von Schimpf und Schande unbefleckt, die die anderen in so reichem Maße auf sich geladen hatten.
    Sie hatte ihre Geisteskräfte gesammelt und vor kurzem entschieden, Ms Austen nicht nur zu »verbessern«, sondern geradezu umzukrempeln. Kitty war entschlossen, mit ihrem ganzen Können dem Roman
Stolz und Vorurteil
(darunter wollte sie es nicht machen) zu Leibe zu rücken. Das geschah aus dem einfachen Grund, dass man Jane bereits viel zu lange gestattet hatte, ihre Romane – und die Charaktere darin – für vollendet zu halten, indem Ehen zustande kamen, die vermutlich glücklich waren und es blieben. Kitty wollte in Frage stellen, was noch niemand in Frage gestellt hatte. Wie wäre es, wenn Darcy nach der Hochzeit Elizabeth einer anderen Frau wegen verließ? Waskönnte man aus Ms Bennett machen, einer Gestalt, die Kitty schon immer unerträglich perfekt erschienen war, trotz all der höchst nuancierten kleinen Mängel, mit denen sie ihre Schöpferin versehen hatte?
    Doch jetzt war per E-Mail die Überheblichkeit, der Kitty beinahe anheimgefallen wäre, als nicht wieder gutzumachende Dummheit bloßgestellt worden. Das Projekt war gestrichen worden, abgeblasen für immer und ewig. Und das noch gerade rechtzeitig. Hätte sich Kitty nicht so eifrig bemüht, die Tätigkeiten ihrer Zeitgenossen zu ignorieren, wäre ihr längst das Ausmaß der anwachsenden Jane-Austen-Industrie bewusst geworden. Wie Ms O’Toole ihr mitteilte, waren zahllose Schreiberlinge dabei, Janes Popularität für ihre Zwecke zu nutzen. Eine Unmasse an Autoren hätte die Hervorbringungen der guten Frau ausgeschlachtet und versucht, sich in eine Reihe mit ihr zu stellen. Da nun ihre Unwissenheit aufgedeckt war, spürte sich Kitty von einer Tollheit befreit, die ihrem Ruf nur geschadet hätte, wenn sie die Axt geschliffen und damit auf Jane oder selbst Mrs Darcy heftig eingeschlagen hätte.
    Dennoch

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