Das Schwein unter den Fischen
wir ein steiniges Flussbett. Die Hündin springt aus dem Korb und trinkt minutenlang. Das letzte Stück aus dem Wald hinaus verläuft so steil, dass ich stolpere und auf ein gepflastertes Rondell falle, das Heinrich nicht erwähnt hat. Als ich mich aufrichte, entdecke ich endlich die zwei Pfade.
Heinrich hat gesagt, der breitere führe zu Lollos Haus. Etwas unschlüssig stehe ich herum. Die zwei Pfade sehen gleich breit aus. Rossi bellt und springt in hohen Bögen aus dem Wald direkt auf einen der beiden Pfade zu, dann läuft sie los. Ich folge ihr so schnell ich kann. Nachdem wir nach etwa hundert Metern noch immer keine Brücke erreicht haben, weiß ich, Rossi hat den richtigen Pfad genommen. Vor uns taucht ein großes Holzschild auf, es sieht aus wie frisch gestrichen, und es ist deutlich darauf zu lesen: VILLA ALBA.
EIN LOCH IM KOPF
Rossi läuft los, ich rufe sie mehrmals, aber sie kommt nicht zurück. Ich stehe auf dem Gelände der Villa Alba. Das Haus ist umringt von Zypressen. Mitten in der Landschaft steht eine Pforte, man könnte links oder rechts daran vorbeigehen. Als ich mich dem Haus nähere, sehe ich, dass es aus kleinen grauen Steinen besteht und von Pflanzen aller Art bewachsen ist. Ganz oben in den Mauern sind unzählige Löcher, Schwalben fliegen aufgeregt aus ihnen hinaus und wieder hinein. Direkt vor dem Haus ist ein Torbogen, in dem zwei große Petroleumlampen baumeln.
Im Garten wachsen wilde Blumen und verschiedene Sträucher, mehrere Tische und Bänke sind vor einem Steingrill aufgestellt, als wäre hier jeden Tag ein Fest. Auf einem der Tische stehen zwei Gläser und vier leere Weinflaschen.
Seit ich auf dem Gelände der Villa Alba bin, schwitze ich nicht mehr, es ist noch immer warm, aber die quälende Hitze scheint verschwunden. Natürlich verbringt Enki hier gern den Sommer. Ich bestaune das Haus und schaue auf jedes der vielen kleinen Fenster. Dann zucke ich zusammen, ich habe nicht bemerkt, dass jemand aus dem Haus gekommen ist. Die Frau unter dem Torbogen stemmt die Arme in die Hüften, geht keinen Schritt weiter und mustert mich. Ob das die Mutter von Enkis Halbschwester ist?
Rossi taucht wie aus dem Nichts wieder auf, dreht sich neben der Frau auf den Hinterpfoten im Kreis und bellt.
Die Frau ruft: »Piano! Piano, Anaconda!«
Sie sieht verschlafen aus, jung und alt zugleich, ist recht groß und schlank, hat lange, zerzauste, schwarzblaue Haare und trägt ein einfaches, Kleid, es könnte auch ein Nachthemd sein.
Sie ist nicht besonders freundlich. Anstatt mich zu begrüßen, verschränktsie die Arme. Mein Lächeln fühlt sich schief an, viel zu laut sage ich: »Hi, Buongiorno.«
Sie sieht auf ihre Armbanduhr. Nach Enkis Erzählung habe ich mir Lollo als eine herzliche, rundliche Frau vorgestellt. Diese Person muss jemand anderes sein. Sie stiert mich noch immer ohne ein Lächeln fragend mit ihren geröteten Augen an. Dann wischt sie sich mit beiden Händen kräftig über das Gesicht und räuspert sich laut. Ich sage:
»Hi, my name is Stine. I am from Germany, Hamburg, I am searching my friend Enki, the brother of Marcella. He told me, he lives here in this house? Enki? Marcella? Do you know them?«
Sie richtet sich ein wenig auf und sagt:
»Du kannst Deutsch mit mir sprechen.«
»Oh! Das ist gut. Also entschuldigen Sie bitte, dass ich so unangemeldet hier vorbeikomme, aber ich war campen, und dann kam der Regen, der See ist übergelaufen, äh, na ja, davon haben Sie sicher gehört, und ich beschloss, Enki zu besuchen, der behauptet hat, er würde hierherkommen, weil seine Schwester Marcella hier mit ihrer Mutter Lollo wohnt. Es tut mir leid, wenn das nicht stimmt, dann war der Weg wohl umsonst, und ich hätte besser in der Stadt auf meine Familie gewartet, die morgen früh kommt, um mich abzuholen. Ich gehe wieder in die Stadt, wenn Sie kein Zimmer für mich haben, kein Problem. Irgendwo muss ich warten, bis meine Familie mich abholt. Sie haben zum Glück alle überlebt, also meine Familie und Dr. Ray auch! Das ist der beste Freund meiner Tante. Ist denn die Hausbesitzerin auch da?«
Verdutzt sieht sie mich an, und mir scheint, dass ich keinen vernünftigen Satz von mir gegeben habe. Vielleicht hat die Frau ja einen Kater. Ich werfe einen Blick zu dem Gelage auf dem Tisch, da sagt sie:
»Ich bin Lollo.«
»Dann sind Sie Marcellas Mutter?«
Sie nickt und lächelt kurz.
»Und du bist die Freundin von Enki?«
»Ja, irgendwie schon«, antworte ich.
Sie wirkt noch immer
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