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Das Schwein unter den Fischen

Das Schwein unter den Fischen

Titel: Das Schwein unter den Fischen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasmin Ramadan
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aus der gleichen Stadt kamen.
    Iris hielt ein Wiedersehen mit neununddreißig für Fügung, da sie, wie sie verkündete, wohl erst jetzt bereit sei, die große Liebe anzunehmen. Doch die große Liebe machte sich nach kurzer Zeit wieder aus dem Staub, was Reiner so kommentierte:
    »Da würd ich aber auch die Pferde satteln, wenn mir so ’ne Muschi wie Irrnis auf den letzten Metern noch ihre Gene unterjubeln will!«
    Seit der Sache mit dem Kurierfahrer rauchte Iris morgens, schon bevor es losging, drei Zigaretten und murmelte vor sich hin: »Was für eine universale Riesenscheiße!« An ihrem vierzigsten Geburtstag saß sie lange mit Reiner und Ramona in unserer Küche, die direkt neben meinem Zimmer lag. Ich wachte im Morgengrauen auf, als Iris brüllte:
    »Reiner, du Pisser, was denn, was willst du mir denn damit sagen, du billiger Familien-Macho! Ich spiel hier jetzt nicht die Rolle Singlefrau ab vierzig! Leben nach Zahlen – das ist so fucking scheiß-banal!«
    Reiner meinte, Iris könne es nur nicht verknusen, dass sie schon so verschrumpelt aussehe. Das komme »von der ewigen Reiserei, die hat zu viel Mittagssonne aus allen Richtungen auf den Kopf gekriegt!«.
     
    Nach den Rucksacktouren, die sie bis Anfang dreißig unternommen hatte, war außer dem Kurierfahrer eigentlich nichts Gutes in Iris’ Leben passiert. Drogen vertrug sie nicht mehr, andere Interessen hatte sie nicht entwickelt, heiraten fand sie banal, die Liebe nannte sie »einen Furz im Wind«. Also wurde sie esoterisch, arbeitete als Hexe und verdiente gar nicht schlecht an Leuten, die so ähnlich drauf waren wie sie – nur in reich.
    Irgendwann kündigte Iris plötzlich ihre Wohnung und reiste als lebenderSchutzschild in den Irak, um gegen den Angriff der USA zu protestieren. Ich glaube, den USA war Iris’ Leben genauso egal wie ihr selbst.
    Als ihr, wie zu erwarten, die anderen Aktivisten auf die Nerven gingen, reiste sie auf eigene Faust weiter in Richtung Südost, um sich wie früher gedankenlos in die Sonne zu legen. Irgendwo bei Belutschistan wurde sie von einem Leoparden gefressen. Man fand den Armeerucksack und ihren tätowierten Arm: Warrior of Light – darüber zwei springende Delfine.
    Bei der Beerdigung war außer uns nur ein Afghane anwesend, den Iris aus politischer Nächstenliebe irgendwann ohne finanzielle Gegenleistung geheiratet hatte. Ihm drohte damals die Abschiebung, da die USA in seiner Heimat den Taliban den Rang abliefen. Er brach bei der Bestattung von Iris’ Arm weinend zusammen. Reiner fing ihn auf und drückte ihn fest an sich, bis er aufhörte zu schluchzen. Später, bei uns zu Hause, aß Rahim mit verquollenem Gesicht eine Unmenge von Schweinefleisch, übergab und bedankte sich.
    Ich begleitete ihn noch zur Tür. Er strich mir über den Kopf und sagte: »Leben kurz.«
    In diesem Moment verliebte ich mich in ihn. Ramona rief, er solle doch mal wieder auf ein Schnäpschen vorbeischauen. Natürlich besuchte er uns nie wieder.

MITSCHÜLER
    Lange war ich mir sicher, mich nie in einen Jungen meines Alters verlieben zu können. Sie schienen mir zu einfältig oder feindselig. In der zwölften Klasse entwickelte ich dann aber überraschend doch noch ein gewisses Interesse.
    Im Kunst-Leistungskurs saß ein Junge namens Kassian neben mir. Er war neu an der Schule, hatte eine Klasse übersprungen und sprach nur selten außerhalb des Unterrichts. Egal welche Aufgabe wir gestellt bekamen, Kassian malte irgendetwas anderes. Aber auch dafür bekam er dann immer eine Eins.
    Wir wechselten in den ersten Wochen kaum ein Wort miteinander, außer ich lieh mir einen Stift, oder er bat mich um ein Kaugummi. Trotzdem besserte sich meine Laune, wenn er neben mir saß. Einmal hatte ich das Gefühl, er würde an mir riechen, als ich mich an ihm vorbei über den Tisch lehnte, um nach einer Schere zu greifen. Ich spürte seinen warmen Atem durch mein T-Shirt und stieß vor Schreck mit der Elle gegen seinen Kopf. So schnell ich konnte, rannte ich auf die Toilette und blieb dort bis zum Ende der nächsten Pause mit angezogenen Beinen auf dem Klodeckel sitzen. Zurück im Kunstraum stand er über mein Bild gebeugt, lächelte zum allerersten Mal und sagte: »Basilisk und Zentaur im Gespräch mit Hydra? Nett.«
    »Nein, das sind nur die Leute im Imbiss, und das da ist meine Stiefmutter.«
    Ich zog ihm das Blatt weg. Er lächelte noch immer und sagte: »Nett, sehr nett.«
    Kassian sah mich lange aufmerksam an. Seit diesem Vorfall konnte ich mich

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