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Das Schwein unter den Fischen

Das Schwein unter den Fischen

Titel: Das Schwein unter den Fischen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasmin Ramadan
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Beine voran, mich unter der Tür durchzuquetschen, blieb aber mit hochgerutschtem Rock stecken und begann zu hyperventilieren. Keine Ahnung, wie lange ich dort lag, aber es versammelten sich immer mehr Leute vor der Tür. Einige murmelten unverständliches Zeug, andere kicherten. Jemand streichelte mich am Bein. Plötzlich stach Ramonas Stimme deutlich aus dem Gewirr hervor. Sie fluchte und beschimpfte mich, zerrte an meinen Beinen, ich spürte ihre Fingernägel, als wären sie unter meiner Haut, und wünschte ganz fest, mich in Luft auflösen zu können. Ich schloss die Augen, bildete mir ein zu fallen – und verlor endlich das Bewusstsein.
    Nachdem ich wieder zu mir kam, sah ich verschwommen große bunte Federn und glaubte, dass ein zitronig duftender Indianer beschwörend auf mich einredete. Nach einigen Sekunden wurde das Bild schärfer, und die Federn steckten am Hut einer vergnügt lächelnden älteren Dame, die grellroten Lippenstift trug. Über mich gebeugt, sprühte sie mir Eau de Cologne auf die Stirn, strich über meine Wangen, nickte und sagte: »Deine erste Ohnmacht? Man macht eine Menge durch, mein Vögelchen. Manchmal lohnt es sich sogar. Ich wünsch dir was.«
    Seufzend legte sie mir ihr Duftwasser in die Hand, schloss meine Finger darum und verschwand, bevor ich mich aufrichten konnte.
    Die Angst vor verschlossenen Räumen wurde ein fester Bestandteil meines Lebens. Oft verbrachte ich meine Nachmittage mit geschlossenen Augen und der Vorstellung, in imaginäre Räume ohne Türen eingesperrt zu sein. Doch all meine Versuche, die aufkommende Panik auszuhalten, scheiterten, weil mir der Atem stockte. Nachts träumte ich manchmal davon,wie ein Geist durch Wände hindurchzuschreiten, und wachte schweißgebadet auf, da mir sogar im Schlaf klar war, dass es niemals möglich sein würde. Ich wollte zurück zu dem vormals selbstverständlichen Gefühl, mich jederzeit und überall aus eigener Kraft befreien zu können. War aber eine Kabinentür zu hoch, um im Notfall drüberklettern zu können, wäre ich dort niemals aufs Klo gegangen. Ich machte in dieser ersten akuten Phase meiner Phobie häufig in die Hose, dafür überwand ich die natürliche Angst vor dunklen Gebüschen. Einmal wischte ich mich in einem Park neben der Schule versehentlich mit Brennnesseln ab, woraufhin Ramona mich zu ihrem uralten Frauenarzt Dr. Hahnrei schleppte. Als er anfing, mir Fragen über das Verhältnis zu Männern in meinem Umfeld zu stellen, da er auf eine Geschlechtskrankheit tippte, erzählte ich ihm schnell, was passiert war. Die Überweisung zum Kindertherapeuten verschwand für immer im Loch des Taschenfutters von Ramonas schmutzig weißem Synthetikblazer, den sie die gesamten neunziger Jahre über trug. Ein paar Tage nach dem Besuch bei Dr. Hahnrei sahen wir uns zu dritt im Fernsehen einen Thriller an: Eine junge attraktive Frau richtete auf einer ausgelassenen Party in L. A. ein Blutbad an und wurde von einem Psychologen fälschlicherweise für unzurechnungsfähig erklärt. In der zweiten Werbepause erwähnte Ramona, nachdem sie sich aus der Küche ein weiteres Bier geholt hatte, dass Dr. Hahnrei einen Therapeuten für mich empfohlen hätte. Mein Vater stand auf, schaltete den Fernseher aus, verschränkte die Arme und sagte: »Das wäre ja gelacht, zum Heulen kann ich mein Kind auch allein bringen!« Dann schickte er mich sofort ins Bett.
    Am nächsten Morgen schloss er mich in unser Bad ein, bis ich nicht mehr wie am Spieß schrie und verzweifelt nach Luft schnappte. Als Belohnung bekam ich zum ersten Mal Taschengeld. Für jede Minute, die ich es ausgehalten hatte, zehn Pfennig. Ab diesem Tag sperrte Reiner mich bei jeder sich bietenden Gelegenheit in Toiletten, Keller, Besenkammern, von außen mit breitem Klebeband umwickelte Telefonzellen oder schloss mich bei schlechtem Wetter auch mal in meinem eigenen Zimmer ein. Er meinte, ich müsste begreifen, dass man noch lange nicht eingesperrt sei, nur weil man gerade irgendwo nicht rauskönne. Mir zuliebe brachte Reineralso Fahrstühle zum Stehen, besorgte sich von Kumpels Schlüssel von Bauwagen und Kühlräumen, lieh sich von Tante Trixi sogar den alten Fiat 500, obwohl er in den nur mit eingezogenem Kopf hineinpasste. Bei der anschließenden Therapiefahrt nachts auf der Autobahn musste ich auf der Rückbank sitzen. Irgendwann nickte ich ein, weil mein Vater zufrieden vor sich hin summte, und fuhr erschrocken wieder hoch, als er das einzige andere Auto weit und breit beim

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