Das Schwein war’s: Kriminalroman (German Edition)
Spaten aus dem Schuppen benutzen dürfen. Der Rest musste mit den Händen erledigt werden, damit nichts beschädigt wurde, was von dem Mann, der dort lag, übrig war. Sorgsam wurde dieErde beiseite geschoben; die Hände seiner Tante waren unaufhörlich in Bewegung; Handvoll um Handvoll, als ob sie Wasser schöpfte und nicht Erde entfernte. Sobald Aaron zu schnell grub, stieß ihn seine Tante an, womit sie ihn mahnte, mit größerer Ehrfurcht vorzugehen. Sie hatten ja nicht die Aufgabe, ein Menschenleben zu retten. Und so bestand keine Notwendigkeit, sich zu beeilen. (Dennoch hatten sie in stillschweigendem Einvernehmen zunächst das Gesicht und den Kopf und dann erst den übrigen Körper von der Erdschicht befreit.)
Der Anblick, der sich ihnen bot, war gar nicht mal gruselig. Fleisch war nicht mehr vorhanden; nur Fetzen, die wie Pergament aussahen, hafteten an den Wangen- und Kieferknochen, als ob der Mann sich beim Rasieren geschnitten und mit abgerissenem Toilettenpapier das Blut gestillt hatte. Die Knochen waren von der Erde braun verfärbt, aber die Zähne, nachdem Kitty mit den Fingerspitzen darübergefahren war, strahlten weiß. Sie saßen als lückenlose Reihe noch fest im Kiefer und boten sich als klassisches Demonstrationsobjekt dafür dar, was Zahnseide und Fluorzahnpasta bewirken konnten. Mit geringerer Sorgfalt rieb Kitty die Stirn und die Schläfen sauber, machte sich auch nicht die Mühe, die Augenhöhlen auszuwischen oder den Schmutz aus den Nasenlöchern zu holen. Anders verfuhr sie mit den Händen. Sie nahm jeden Knochen einzeln in die Hand, kratzte sacht Erde und Sand ab, säuberte die Ritzen zwischen den Knöcheln, rieb die äußersten Enden gegen ihre Handfläche und betrieb Maniküre, soweit es irgend ging, wenn man davon absah, dass die Fingernägel selbst verschwunden waren. Einen Moment schien es, als wolle sie sich die Hand an die Lippen drücken, hielt sie aber lediglich fest, schaute lange darauf und legte sie dem Mann wieder an die Seite, wo sie bislang gelegen hatte.
Stieß sie auf einen Engerling oder eine andere wurmähnliche Kreatur, die sich ihren Weg durch die Erde oder aneinem Knochen entlang und durch Kleidungsstücke gewunden hatte, dann nahm sie sie und warf sie auf den Haufen, der neben der Grube entstand. Ein flacher Stein, Teil eines harten Feuersteins, lag im Brustkorb, und neben dem Schädel befand sich ein gerundetes Felsstück, wie ein verrutschtes Kissen. An diesen beiden rieb und schabte seine Tante herum, bis sie völlig gereinigt waren, als ob auch sie Teile des Skeletts wären und besondere Sorgfalt verdienten. Dann setzte sie den runden Stein auf den flachen und legte beide ans Kopfende des Grabs. Weitere Steine kamen dazu, zwei wurden aus der Beuge des linken Arms genommen, einer aus dem Becken, zwei vom rechten Oberschenkel, andere aus den Falten und Knittern der von Würmern zerfressenen Kleidung. Als schließlich der ganze Körper freigelegt war, hatte sie einen kleinen Steinhügel aufgeschichtet, der die Stelle markierte, wo man den Mann bestattet hatte.
Auf dem Kopf saß eine Baseballkappe, auch musste er seinen Sonntagsstaat angehabt haben, einen Anzug aus dunklem Wollstoff. Marineblau wahrscheinlich, dazu die Purpursocken und die derben, an den Hacken ziemlich abgelaufenen Schuhe. Sein Hemd, von dem nur noch längliche Fetzen übrig waren, mochte weiß gewesen sein und vielleicht sogar gestärkt. Der Hemdkragen drückte immer noch in den Unterkiefer. An seinem Hals hing wie eine angebissene Nuss etwas, das einmal der Knoten einer Krawatte war, von der nur noch ein paar Strähnen dunkler Seide bis zum ersten Knopf des Jacketts reichten. Man hatte vergessen, sie ihm ordentlich einzustecken. Der zerschlissene Stoff, die Löcher, durch die die Knochen schimmerten, die aufgegangenen Nähte, all das legte nahe, dass die Zersetzung unter der Erde sich nicht von der oben unterschied. Wenn die Kleidung auch nicht mehr viel hermachte, so ließ sich doch sagen, dass sie sich, nachdem sie ihren harten und widrigen Dienst getan hatte und die Weltund das Wetter das Ihrige dazu beigetragen hatten, in einem Zustand befand, wie er nicht anders sein konnte. Mal hatte sie einen Schlitz hier bekommen, bald einen Riss da, dann war ein Loch entstanden, an anderer Stelle etwas aufgeplatzt, bis schließlich das Sonntagskleid aussah wie ein Anzug für den Arbeitsalltag mit seiner nicht enden wollenden Plackerei. Es war der Preis für das Privileg, auf dem Rücken eines tüchtigen
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