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Das Schwein war’s: Kriminalroman (German Edition)

Das Schwein war’s: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Das Schwein war’s: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Caldwell
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Faden. Die Türangeln waren herausgebrochen, der Türrahmen war zersplittert. Lediglich das Vorhängeschloss hatte dem Ansturm standgehalten. So war die Tür zur Seite gekippt, abgebremst von einer Schubkarre, die links neben der Türöffnung stand. Aarons Augen wanderten hinüber zu der Weidefläche. Dort war tatsächlich das Schwein, und es war weiterhin mit der Futtersuche befasst. Es wühlte mit der Schnauze in dem saftigen grünen Gras, warf eine Sode nach der anderen hoch und tat das so wirkungsvoll, dass ein Pflug hätte neidisch werden können. Es schien überzeugt, dass sich
irgendwo
noch Nahrhaftes befand, das zu entdecken höchste Befriedigung versprach. Schnauben und Grunzen voller Vorfreude begleiteten jeden erneuten Versuch, und Aaron konnte trotz seines Entsetzens nicht umhin, die Fähigkeit eines so stumpfen Geräts wie einer Schweineschnauze zu bewundern, sich wie eine Schaufel in die Erde zu schieben und die Schollen umzubrechen. Ohne Pfoten oder Krallen konnte es besser buddeln als ein Fuchs oder Kaninchen. Ohne Zinken oder Hauer konnte es ein Feld besser beackern als Grabegabel oder Spaten. Jahrtausendelang hatte man das Schwein gehätschelt und gemästet, und so hatten sich seine zerstörerischen Instinkte offenbar zu einem Trieb der Verwüstung entwickelt, den nur die vier Elemente Erde, Feuer, Wasser und Luft (und die Menschheit natürlich) übertrafen.
    Aarons erster Impuls war, zurück ins Haus zu gehen, die Fliegentür leise hinter sich zu schließen, durch die Küche zu schleichen, lautlos die Stiegen zu erklimmen, in seinZimmer zu huschen und ins Bett zu kriechen. Dort würde er warten, bis seine Tante aufschrie und loszeterte, sobald sie aus dem Fenster geschaut hatte oder einfach vor die Tür gegangen war. Schlaftrunken könnte er in aller Unschuld fragen, was denn los sei. Er würde dann den Weisungen seiner Tante folgen, die befand, was zu tun war oder getan werden müsste.
    Doch sein Ärger über das Schwein ließ derartige Weisheit nicht zum Tragen kommen. Er rannte auf das Weideland, klatschte in die Hände und tat das immer und wieder wie auf dem Hügel am Tage zuvor; dabei rief er unentwegt »Suuii! Suuii!« Was das bewirken sollte, wusste er selbst nicht. Vielleicht konnte er das Biest wenigstens daran hindern, noch mehr Unheil anzurichten, das wäre immerhin etwas. Bloß, wo sollte er das Schwein hintreiben? Es gab nichts, wo er es hätte einsperren können.
    Er spürte den Geruch des Meeres. Ohne auch nur aufzuschauen, wusste er, dass da vorn das Wasser war – und die Klippe am äußersten Rande der Wiese. Man würde ihm nicht die Schuld in die Schuhe schieben können. Im Gegenteil, er hätte versucht, das Schwein vom Abgrund wegzuscheuchen. Aber das Schwein hätte nicht auf ihn gehört. Nicht auf ihn zu hören, hätte es sich von Anbeginn ihrer Bekanntschaft vorgenommen. Er wäre unschuldig. Er würde der Dame sein Bedauern aussprechen. (Er sah sich schon einen Hut in den Händen halten, einen weichen Filzhut, und die Krempe durch die Finger gleiten lassen, als läse er dort die Worte der Beileidsbezeugung in Blindenschrift.)
    Doch dann stieg vor seinem geistigen Auge das betrübte Gesicht der Lolly McKeever auf, deren Schwein es gewesen war. Nicht der geringste Vorwurf in ihrem Antlitz, nur Betroffenheit. Sie kenne ja ihr Schwein. Sie hätte immer gewusst, wie hinterhältig es war. Nun hätte es eben bekommen, was es verdient hatte. Man würde ihn sogar loben wegen seiner Bemühungen. Angebote auf Schadenersatzwürde man machen. Weigerungen, das anzunehmen, würden folgen. Beteuerungen aller Art würde es geben.
    »Suuii! Suuii!« Aaron setzte seinen Vormarsch fort, und das Schwein geriet immer dichter an den Rand der Klippe. Wenn es ihm gelänge, dann würde ein verwesendes Schwein unten am Strand liegen. Es würde stinken. Wäre ein höchst unschöner Anblick. Die Krähen und Kormorane hätten Monate zu tun, alles sauber abzupicken. Niemand würde sich die Mühe machen, das blutunterlaufene Fleisch und die gebrochenen Knochen zu holen und in die Suppe zu tun. Alles wäre verdorben. Von Aaron konnte man kaum erwarten, bei seinen trauervollen Wanderungen über einen Schweinekadaver zu klettern oder um ihn herumzugehen, so wie Jane Eyre, die in Charlotte Brontës Version sich anschickte, fast wörtlich – ohne innere Regung und ohne zu zögern – über die zerschmetterten Glieder einer toten Geistesgestörten und in das Happyend zu steigen, das für sie von der ersten Seite

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