Das Schwein war’s: Kriminalroman (German Edition)
Die Spuren von Mineralien und Erzen in den Steinen brachten die Hauswände in der Stadt zum Funkeln. Schaumkronen belebten das Meer, und das Gras gewann nicht nur seine Grünschattierungen zurück, sondern verströmte auch den Duft von Heide, Stechginster und, wie es ihm vorkam, von Nikotin.
Doch es war ihm nicht vergönnt, die Wiedergeburt der Landschaft in vollen Zügen zu genießen, denn er wurde gewahr, dass er auf der falschen Seite des Hanges hinuntergegangen war. Weder Schweine noch Bus waren zu sehen, auch sprangen nirgendwo auf der Straße Schweinetreiber sinnlos herum. Selbst die junge Frau mit den lebhaften Augen und dem übermütigen Lachen konnte er nirgends entdecken. Er würde in die entgegengesetzte Richtung gehen müssen, um auf die andere Seite des Hügels zu gelangen. Bevor er das tat, nahm er die Straße unten noch einmal genauer in Augenschein. Es stimmte, es waren keineSchweine, kein Bus, keine Reisenden und auch nicht die Hirtin mit der Gerte zu sehen. Dafür aber der Lastwagen im Straßengraben, leicht vornübergeneigt, als wollte er vor seiner Weiterfahrt ein wenig dösen.
Er blickte Richtung Norden und sah nur zwei Autos und einen Kleintransporter. Richtung Süden machte die Straße eine Kurve, und dahinter war nichts zu erkennen. Er rannte den Hügel hinab, sprang über die Mauer, stand auf der Straße. Auf dem Asphalt breitgefahrener Schweinekot, auf dem weißen Mittelstreifen ein Apfelgriebsch und eine Bananenschale. Auch die Schleifspuren des Lasters waren da, und natürlich der Laster selbst. Im Brombeergestrüpp flatterte das Halstuch der Frau, täuschte mal einen Vogel, dann wieder einen Schmetterling vor. Alle waren fort, selbst die Schweine. Man hatte ihn allein zurückgelassen. Die Stadt war ein ganzes Stück entfernt. Das Haus seiner Tante noch weiter. Er würde per Anhalter fahren müssen.
Seine Aufregung legte sich. Die Menschen hier waren gastfreundlich, und schließlich machte er in seinem Jackett und seinen grauen Hosen einen durchaus respektablen Eindruck, auch wenn er keine Krawatte trug.
Angeregt von der Landschaft ringsherum, der frischen kühlen Luft, den dunkler werdenden Schatten, machte er sich auf den Weg. Er verspürte keine Lust, einfach stehenzubleiben und zu warten. Zwei Kurven hatte er hinter sich gebracht, da kam ein erstes Auto. Er hielt den Daumen hoch. Der Wagen verlangsamte sein Tempo, nahm aber sogleich wieder Geschwindigkeit auf und fuhr an ihm vorbei. Bald folgte ein zweites Auto, aber das verlangsamte nicht einmal sein Tempo, sondern hupte auch noch im Vorbeifahren. Das nächstfolgende beachtete ihn überhaupt nicht. Er hätte wohl doch lieber bei dem gestrandeten Laster stehenbleiben sollen. Einen Mann, der Pech gehabt hatte, würde man nicht herzlos seinem Schicksal überlassen. Ein weiteres Auto fuhr an ihm vorbei. Zwei Jugendliche vorn und einjunges Mädchen auf dem Rücksitz verlachten ihn sogar. Er beschloss, umzukehren und es an der Unglücksstelle beim Lastwagen zu versuchen.
Er drehte sich um und sah das Schwein. Es war keine drei Meter hinter ihm. Es sah ihn an, senkte den Kopf und beschnüffelte den Straßenbelag. Einen einsamen Wanderer würde man vielleicht mitnehmen, einen Mann mit einem Schwein wohl kaum.
Aaron stampfte mit dem Fuß auf. Das Schwein ließ sich in seinem Herumschnüffeln nicht stören. Aaron versuchte es wie vorher mit Rufen und Schreien, aber auch da blieb das Schwein unbeeindruckt. Ein Auto fuhr vorbei, gleich danach ein weiteres. Aaron rannte auf das Schwein zu, musste aber abbremsen, um nicht in den gesenkten Kopf des Tieres zu rasen. »Hau ab! Los! Nun geh schon! Suuii! Suuii! Scher dich fort!«
Das Schwein hob ein wenig den Kopf, stierte auf Aarons Schuhe, senkte die Schnauze und rieb sie an einem Steinbrocken der Mauer. Er stampfte erneut mit den Füßen, doch ohne Erfolg. Er gab es auf, machte kehrt und stapfte finster entschlossen am Straßenrand weiter. Ein Auto kam um die Kurve. Er hob den Arm. Das mit dem Daumen hatte keinen Zweck. Er würde mit den Armen winken, das hinterließ mehr Eindruck, zeugte von Ungemach, und das Auto würde einfach stehenbleiben müssen. Es tat es nicht. Das Schwein allerdings blieb ihm auf den Fersen.
Das Stampfen, Trampeln, Schreien wiederholte sich, bewirkte aber nichts. »Scher dich auf den Hang! Du wolltest doch dort hinauf, also geh! Mach schon! Niemand hindert dich daran!« Und wieder das Stampfen, Trampeln, Schreien. Alles umsonst.
Verbissen strebte er der Stadt zu.
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