Das Schwein war’s: Kriminalroman (German Edition)
in die Küche, hatte das Loch in der Gazetür unmittelbar vor sich.
Wasser berührte seinen Fuß, stieg langsam am Bein hoch bis zum Knie. Das Meer drang in das zur Seite gekippte Haus, stieg hinter ihm. Jetzt zog der Sog das ganze Haus nach unten, die hartnäckigen Wogen bekamen den Preis, um den sie unzählige Jahre gerungen hatten. Der Wind mit seinem Schieben und Stoßen hatte sich redlich gemüht, das Haus auf festeren Grund zu befördern, doch das Meer hatte sich als stärker erwiesen.
Es hatte Aaron gewarnt. Es hatte ihn namentlich gefordert, hatte sein Anrecht auf ihn deutlich gemacht und war nun gekommen, um sich die von ihm auserwählte Trophäe zu holen, die zweimal seiner unergründlichen Umarmung entronnen war.
Das Gebrüll ebbte ab, von ferne hörte man Grummeln und Rumoren, Gegenstände stürzten um, Steine zerbarsten, und durch die Gazetür schoss ein Wasserschwall. Aaron rettete sich nach vorn zur Öffnung und kroch hindurch, gerade noch im richtigen Moment, dann stieg das Wasser bis an den oberen Rand des Risses, den das Schwein gemacht hatte. Nur, dass es nicht das Wasser war, das stieg; es war das Haus, das sich nach unten bewegte und sank; die Wellen durchströmten es, überschwemmten es, begrüßten es auf dem Weg zu seiner letzten Ruhe.
Und wieder schwamm Aaron nach oben, kämpfte sich an die Oberfläche, spürte frische Luft. Eine Welle, als erkannte sie ihn, begrub ihn unter sich. Wieder kämpfte er, wieder schaffte er es bis nach oben. Noch bevor die nächste Woge über ihn herfiel, erspähte er vor sich das Ufer, ineinandergestürzte Felsen, riesige Steinmassen, die zernagte Steilküste und die frisch ausgehobene Bucht, wo das Haus gestanden hatte. Am Rand der Klippe erkannte er drei Gestalten, die sich im Mondlicht abhoben und winkten.
Entschlossen, nicht in Panik zu verfallen, peitschte Aaron auf das Wasser ein, hielt auf das Land zu, doch die Wellen waren nicht gewillt, so ohne weiteres, so rasch nachzugeben,einen einfachen Sterblichen aus ihren Fängen zu lassen, der sich ihrer Gunst entziehen wollte. Eine Woge nach der anderen nahm ihn sich vor, schon etwas weniger wütend, fast versöhnlich, ein Richter, der Milde walten ließ. Aaron war nicht zu beirren. Er kämpfte ohne Unterlass.
Diesmal war es das Ufer, nicht das Meer, das ihn verriet. Immer wieder wich es zurück, entzog sich ihm, war nicht gewillt, ihn willkommen zu heißen, ihn, den sich das Meer mit aller Macht hatte holen wollen. Den Klippen hatte es brutal genug zugesetzt. Weiterer Widerstand würde nur weitere Wunden schlagen. Die Felsnase war wie abrasiert, Steine waren zersprungen und übereinandergekippt, geborsten und gesplittert; nicht lange, und sie würden zu Sand zermahlen sein. Die Zeit für Frieden war gekommen, ein Waffenstillstand musste geschlossen, die gesuchte Seele dem Schicksal überantwortet werden, so, wie es das Meer verfügt hatte und wie es augenscheinlich die Götter gebilligt hatten. Es war zwecklos, dass Aaron weiterkämpfte, im Stich gelassen von dem Land, das ihn genährt und ein Leben lang unterhalten hatte.
Wie um ihm das Ende anzukündigen, stupste ihn ein Fisch am Schenkel, strich an seinem Bein entlang. Er schwankte zwischen Sichwehren und Aufgeben. Abermals stieß der Fisch, ein riesiges Vieh, ihn an. Aaron schlug kräftig mit dem Bein. Der Fisch schien von ihm abzulassen, doch vermutlich nur, um sich auf die nächste Attacke vorzubereiten, und die, da war er sich sicher, würde die endgültige sein. Dann spürte er den Fisch seitlich an sich vorbeigleiten und vor sich durchs Wasser schießen. Gleich darauf schaukelte er direkt vor seiner Nase auf und ab. Mit ausgestreckter Hand, seine Arme konnten schon kaum noch, versetzte er ihm einen Hieb. Es war kein Fisch. Es war das Kanu, er sah es deutlich, von seinem früheren Insassen keine Spur. Es wurde auf den Wellenkamm gehoben und Aaron mit ihm. Dann schoss das Kanu nach unten, undAaron auch. Fast am Ende seiner Kräfte, brachte er es zuwege, hineinzuklettern. Ein Paddel gab es nicht. Vorne im Bug blieb er liegen, schob die Füße auf den Sitz, konnte nur mit Mühe atmen. So lag er da, die Wogen unter ihm hoben ihn abwechselnd in die Höhe, senkten ihn ab und drückten ihn wieder nach oben. Vielleicht war er schon ertrunken, und das hier war der vielgepriesene Frieden, der immer denen, die sich dem Schicksal ergaben, verheißen wurde. Doch über ihm war der Mond. Unter ihm die unbequemen Holzrippen des Kanus. Da waren die Füße, sauber
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