Das Schwein war’s: Kriminalroman (German Edition)
Schulter huschte neckend ein Schatten, die Flammen gebärdeten sich wie eine herzlose Verführerin, die ausgesandt war, die fleischlosen Knochen des hilflosen Toten zu verspotten.
Bei der dritten Wiederholung des Gesangs fing auch Sweeney an zu tanzen, etwas täppisch erst, dann aber voller Wollust trampelnd und stampfend und stoßend, der Übermut in Person. Nicht, dass die Kraftanstrengung der Füße die Stimme beeinträchtigt hätte. Eher hatte man den Eindruck, die Bewegung der Beine pumpte zusätzliche Luft in die Lunge, wie ein Blasebalg, und verlieh dem Gesang nur noch mehr Kraft und Klangfülle.
»Aber – du hast doch den Mann, diesen Mann, der dort liegt, geliebt«, sagte Aaron. Niemand hörte ihn. Das Tanzen, das Geschrei und Gekreische hatte sich ins Unermessliche gesteigert. Wieder erfuhr der Sarg einen Stoß. Wieder schaukelte Declan ein wenig hin und her, hielt dann aber Ruhe. Das ganze Haus schien unter ihren Füßen zu erschauern und zu erzittern, und der Wind draußen heulte auf seine Weise auf und trieb sie zum völligen Wahnsinn, als wären sie von Dämonen besessen.
Das Kreischen und Schreien und auch der Wind nahmen noch zu. Dann gab es einen markerschütternden Laut, und wieder bebte das Haus. Zusätzliche Füße hatten sich unter die Tanzenden gemischt, wenn auch mit einem eigenen Rhythmus. Das Schwein hatte sich einen Weg in die Stube gebahnt, hatte die Gazetür zerfetzt. Die Hufe trippelten und trappelten auf dem Holzfußboden, die Schnauze hielt es hochgereckt und verstärkte mit seinem Quieken und Quietschen das wahnwitzige Treiben.
Immer noch sang Sweeney, alle übertönend:
Selbst ’ne Alte, die mit Keuchen und Stöhnen
liegt elend im Bett schon ein Jahr,
wird sich mit ’nem Gläschen aussöhnen
und abschmeißen ihr Bettzeug sogar.
Immer schneller tanzten Lolly und Kitty. Das Schwein raste um die Couch, rannte einen Beistelltisch um, weiter um einen Sessel, trampelte auf Bücher, um den Kaffeetisch, quiekte, wurde eine Bedrohung für den Tullamore Dew. Das Tanzen nahm kein Ende, das Singen auch nicht. Dem Sarg wurden immer mehr Stöße versetzt, das Gejauchze klang schon mehr wie ein Schmerzensschrei, das Lied wie ein Protest inmitten des irren Lärms. Das Schwein nahm Kurs auf den Sarg.
Aaron sprang auf. »Es kippt ihn gleich um!«, schrie er, doch seine Worte wurden als Ansporn zum Weitermachen verstanden. Das Schwein senkte den Kopf mit Zielrichtung Sarg. Aaron versperrte ihm mit ausgebreiteten Armen den Weg. Das Schwein ließ sich nicht beeindrucken, stupste sich mit dem Kopf durch das Chaos. Als es nur noch einen halben Meter bis zum Sarg hatte, holte Aaron mit dem Bein aus – die schwungvolle Bewegung erweckte den Eindruck, als machte er nun auch bei dem Wirbeltanz mit – und versetzte dem Schwein einen Tritt in die linke Hinterbacke. Überrascht blieb das Schwein stehen und sah Aaron ungläubig an. Aaron versetzte ihm einen zweiten Tritt, diesmal heftiger. Es dauerte einen Moment, bis das Schwein sich aus seiner Verblüffung löste, dann gab es einen durchdringenden Schrei von sich, schlimmer konnte es selbst im Schlachthaus nicht klingen.
»Du kannst das dem armen Mann nicht antun. Er ist tot!«, schrie Aaron das Tier an; wenn es schon kein Verständnis aufbringen konnte, so sollte es wenigstens auf ihn hören. Er half mit einem erneuten Tritt nach.
Lolly hielt als Erste inne, dann Sweeney – auch derGesang verstummte. Kitty wurde langsamer, dann stand auch sie reglos da. Sie alle – das Schwein eingeschlossen – starrten Aaron an.
Lolly trat einen Schritt zurück. »Sie haben das Schwein getreten«, sagte sie, und ihre Stimme klang erstaunt und drohend zugleich.
»Es hätte ihn beinahe … umgekippt … ausgekippt …« Sich leicht zu ihm beugend, fragte Kitty: »Du hast das
Schwein getreten?«
Sweeney sah Aaron an, dann Lolly, dann Kitty. »Er hat das Schwein getreten?«
»Er hat es getreten«, sagte Lolly.
Sweeneys Blick ging zurück zu Aaron. »Haben Sie das Schwein getreten?«, fragte er ihn.
Aaron versetzte dem Schwein erneut einen Stoß. «Ja«, sagte er. »Ich habe das Schwein getreten.«
Das Schwein äußerte sich lautstark.
»Aber warum?«
»Es war drauf und dran, den Sarg umzukippen. Alle Knochen zu verstreuen.«
Die drei blickten zum Sarg. Dann zu Aaron, die Köpfe drehten sich unisono wie ein Uhrwerk, die Gesichter gleichermaßen verstört ob seiner befremdlichen Sorge und seines ungeheuerlichen Verhaltens.
Kitty ging zu dem Sarg,
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