Das Schwert der Keltin
Sängers waren ganz mit der Schlacht verwoben gewesen. Das Kind hatte er völlig vergessen. Hinter ihm, mit gekreuzten Beinen, saß Cunomar, Hails Kopf auf seinen Knien ruhend. Er weinte leise, doch inbrünstig. »Es tut mir Leid«, schluchzte er abermals. »Es ist meine Schuld, dass du hier bist. Wenn ich nicht wäre, wärst du jetzt dort unten in der Schlacht. Dann hättest du diesen gescheckten Dekurio selbst töten können.«
Dubornos hatte nicht vorgehabt, laut zu sprechen. Das war nicht Teil seines Schwurs gewesen, dass andere das Gefühl haben sollten, in seiner Schuld zu stehen. Er stützte sich auf einen Ellenbogen, riss seine Aufmerksamkeit von den unten versammelten Armeen los und wandte sich um. »Darum solltest du dir wirklich keine Gedanken machen. Ich bin hier, weil ich mich dafür entschieden habe. Da hat niemand einen Fehler gemacht, da gibt es keine Schuld zu verteilen.«
»Aber trotzdem hat jemand Schuld, nicht wahr?« Zuweilen zeigte Breacas Sohn eine hartnäckige Selbstbezogenheit, die sich auf keinen seiner beiden Elternteile zurückführen ließ. In anderen Augenblicken - so wie in diesem hier - kam er ganz nach seiner Mutter. Er schürzte die Lippen, und zwischen seine Brauen grub sich, genauso wie bei Breaca, eine senkrechte Linie. Seine Stimme war nun nicht länger die eines Kindes, sondern die eines Erwachsenen, der aus einer Situation gerade seine eigenen Schlussfolgerungen zog. »Ardacos hat mir erzählt«, begann er, »dass du in deiner ersten Schlacht Angst gehabt hättest und darum hinterher, weil du dich deiner Feigheit schämtest, der Lebensart der Krieger abgeschworen hast und stattdessen Jäger und Geschirrmacher geworden bist. Später dann, als die Götter dich sowohl als einen Sänger als auch als einen Krieger gezeichnet hatten, hast du im Namen Brigas und im Namen Nemains geschworen, dass du immer die Kinder meiner Mutter beschützen und dein Leben für das ihre geben würdest, wo auch immer sie hingehen würden. Aber auf Mona wäre ich in Sicherheit gewesen, und dann hättest du hierher kommen und gegen den Dekurio auf dem gescheckten Pferd kämpfen können. Also ist es meine Schuld, dass du das jetzt nicht kannst.«
Die Sonne brannte nun von Südosten auf sie nieder. Unten im Tal marschierten die Krieger derweil in die Fluten des Flusses hinein, um ihre Speere noch besser werfen zu können, und auf beiden Seiten traten die ersten Seelen der in der Schlacht Gefallenen bereits ihre Reise in die Welt der Toten an. Auch dort trafen sie auf einen Fluss, der jedoch breiter und von reißenderer Strömung war als jeder, dem sie jemals in ihrem Leben gegenübergestanden haben mochten. Mit Brigas Hilfe würden sie ihn überqueren können, einige leichter als andere, und im Land der Lebenden nur noch Erinnerungen zurücklassen. Oben, auf der Spitze des Berges, erinnerte sich Dubornos mac Sinochos, Sänger von Mona und dereinst von den Eceni, unterdessen an seinen Vater und an einen anderen Tag voller Kämpfe. Er hatte dieses Bild noch immer nicht vergessen. Jeden Morgen erwachte er mit dieser Szene vor Augen, und ein jeder seiner Tage endete mit der Bitterkeit dieser Wahrheit. Das Kind, das nun die Stimme seines Gewissens war, erwiderte seinen Blick ganz ruhig und ersetzte Dubornos’ alte Schuld durch eine neue.
Die Götter fordern, und es liegt an den Menschen, ihnen, wenn der Augenblick gekommen ist, ihre Seelen vorbehaltlos darzubieten. Dubornos durchforschte also die Tiefen seiner Seele und antwortete schließlich ganz ehrlich.
»Vielleicht hast du Recht«, sagte er. »Wenn du drüben geblieben wärest, dann wäre ich vielleicht hierher gekommen, um zu kämpfen. Vielleicht aber wäre ich auch auf Mona geblieben, mit dir, deiner Mutter und dem Neugeborenen. Weshalb ich letzten Endes eben doch deinetwegen hier bin und natürlich deshalb, um alles, was sich nun hier ereignet, genau zu beobachten und Heldentaten zu sammeln, um damit später das Feuer der Lieder anzufachen. Ich habe meinen Schwur aus freien Stücken gesprochen, und die Götter wissen am besten, wie sie mich diesen Schwur ausleben lassen. Ich bin hier, weil sie das genauso sehr wollten wie du. Und glaubst du etwa, die Götter könnten sich irren?«
Verblüffenderweise dachte Cunomar über diese Frage nun mit gerunzelter Stirn ernsthaft nach. »Das könnte man meinen, wenn sie nämlich die Dinge zerstören, die mir wichtig sind. Oder wenn sie mich von der Erfüllung meiner Herzenswünsche abhalten. Ist es wahr, dass
Weitere Kostenlose Bücher