Das Schwert der Keltin
gegenseitigen Hass und die Herausforderung, die im Grunde eher eine Herausforderung der Geister und der Götter war denn das Wagnis einer Schlacht. Dennoch waren es schließlich die Schlachten, in denen sich der Wille der Götter manifestierte, und die verzögerte Übermittlung von Scapulas Antwort verschaffte den Träumern und Sängern von Mona Zeit, um sich an einem mit Heidekraut bewachsenen Hang direkt gegenüber der Thrakischen Kavallerie zu versammeln. Damit konnten sie ihren Zorn und den ihrer Steinschleuderer genau auf den von ihnen anvisierten einzelnen Mann sowie auf das Pferd, das er ritt, konzentrieren. Valerius spürte sie schon, noch lange ehe die ersten Steine den Flusslauf vor ihm mit kräuselnden Wellen durchsetzten.
»Wenn du da reinreitest«, warnte Longinus, »dann bist du tot.«
»Ist das wieder eine deiner bösen Vorahnungen?«
»Nein, das ist gesunder Menschenverstand. Du solltest am Ufer bleiben und ihnen damit ein Ziel vorgeben und die Flussüberquerung dem Rest von uns überlassen.«
»Vielleicht, aber wenn es der Wille Gottes ist, dass ich sterbe, dann werde ich in jedem Fall sterben - egal, wo ich mich dann gerade befinde. Aber wenn du meinst, dass es mir Unglück bringt, dann bleibe ich hinten. Oder aber ich reite vorweg und lenke damit die gesamte Aufmerksamkeit auf mich, und ihr anderen, die ihr hinter mir herreitet, seid dafür sicherer.«
»Soll uns das nun aufmuntern?«
»Nein, das ist gesunder Menschenverstand.«
»In Ordnung. Dann hast du ja wohl hoffentlich auch noch Verstand genug, dich daran zu erinnern, was Corvus gesagt hat. Scapula will Caradoc und seine Familie lebend haben, um sie anschließend in einer Parade dem Kaiser von Rom vorzuführen. Wenn man dich dabei beobachtet, wie du Caradoc tötest, dann wird man dich an ein Brett nageln und einfach dort hängen lassen. Und noch manch einer außer mir wird dann sagen, dass das eine schreckliche Verschwendung deines Lebens sei.«
»Ich werd’s nicht vergessen.«
Er hatte es bisher nicht vergessen und würde es auch niemals vergessen können. Corvus hatte seine Ansprache zwar an die Offiziere als ganze Gruppe gerichtet; seine Worte, die Drohung, die in ihnen lag, und sein Blick waren jedoch allein auf Valerius konzentriert gewesen. Daraufhin war Valerius mit einem Lächeln davongegangen, das niemand Bestimmtem gegolten hatte, und hatte sich anschließend daran gemacht, sein eigenes Lanzenfähnchen für die Schlacht zu entwerfen. Seit seinem Aufenthalt in der Höhle hatte er die Worte seines Gottes besser zu verstehen gelernt; es gab noch viel mehr Wege, um einen Mann zu vernichten, als ihn einfach nur im Kampf zu töten. Über diese verschiedenen Möglichkeiten hatte er anschließend nachgedacht, hatte sie sich quasi einzeln auf der Zunge zergehen lassen und sich gewünscht, dass er mindestens eine von ihnen auch würde vollstrecken können.
Valerius glaubte fest daran, dass sein Gott ihn hören könnte und ihn begleitete. Den ganzen Morgen hindurch flüsterte dieser schon in Valerius’ Kopf. Sein Tod spiegelt deinen Tod, oder den von jemandem, den du liebst. Doch Caradoc war ganz offensichtlich noch immer am Leben, und sein goldblondes Haar erstrahlte weiterhin wie ein Heiligenschein zwischen den feindlichen Reihen, folglich wähnte auch Valerius sich noch immer in Sicherheit. Als etwas verspätet dann der Befehl des Statthalters eintraf, dass man die Flussüberquerung versuchen solle, trieb er seinen Schecken Schritt für Schritt in den mörderisch wirbelnden Strom hinein. Zweiunddreißig Männer der ersten Schwadron der Ersten Thrakischen Kavallerie folgten ihm in einer geschlossenen Reihe nach.
Als sie in das Wasser eintauchten, sagte Valerius: »Jetzt haben sie das Banner des roten Stieres gesehen. Wenn du also jemals Lust verspürt haben solltest, zu Mithras zu beten, dann wäre jetzt vermutlich der geeignete Augenblick dafür.«
Longinus Sdapeze aber, der ganz und gar keine Lust hatte, den Stierschlächter anzubeten, und stattdessen den Tag damit verbracht hatte, zu seinen eigenen Göttern zu beten, hätte schwören können, dass er seinen Dekurio hatte lachen hören.
Auf dem von Asche bedeckten Gras lagen eine Hand voll Wurfknöchelchen. Ganz offensichtlich hatte man sie dort vergessen. Ein Mann, ein Junge und ein ergrauter Kampfhund mit nur mehr drei Beinen lagen bäuchlings auf einer Felsnase und blickten hinunter auf kreisende Raben. Unterhalb der Vögel donnerte schwarz ein Fluss dahin; an seinem
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