Das Schwert der Keltin
du Airmid schon seit deiner Kindheit liebst und dir, solange sie noch am Leben ist, keine andere Geliebte nehmen willst?«
Cunomars Worte fielen in eine alles umfassende Stille, ganz so, als ob die gellenden Schlachtrufe der Krieger unten im Tal nicht mehr wären als der Seufzer einer sommerlichen Brise. Aus dem Vogelbeerstrauch ertönte plötzlich der Gesang einer Drossel, und ihre hohen Töne bohrten sich förmlich in Dubornos’ Schädel hinein. Er starrte den Jungen an, der seinen Blick schweigend erwiderte. Sehr vorsichtig, denn er war sich nicht sicher, ob er nun noch sein Temperament zügeln konnte, antwortete Dubornos: »Wer hat dir das erzählt? War das Ardacos?«
»Nein. Ich habe gehört, wie Braint es Cygfa erzählte. Das war, während du mit Gwyddhien gesprochen hattest. Jeder konnte ja sehen, dass du dich in ihrer Gegenwart nicht wohl fühltest. Cygfa dachte, dass du dich nach Gwyddhien verzehrtest, und das hatte sie wütend gemacht, denn Gwyddhien gehörte zu Airmid. Braint sagte dann aber, dass es genau umgekehrt wäre, und Efnís hat ihr dann erzählt, was passiert war. Er kannte euch alle schon, als ihr noch Kinder wart in den Heimatländern der Eceni, vor der Invasion. Das stimmt doch, nicht wahr?«
Dubornos hatte sich geschworen, niemals wieder zu lügen. Er hatte jedoch nicht geschworen, seine ganze Seele gegenüber einem Kind zu offenbaren. »Selbst wenn«, entgegnete er, »wäre das dann von irgendeiner Bedeutung?«
»Für Cygfa ist es von Bedeutung. Sie glaubt nämlich, dass du sie übersiehst, und ist darüber sehr traurig.«
Zuweilen sieht ein Kind, was ein Mann nicht sieht, besonders, wenn die Aufmerksamkeit von Letzterem von etwas ganz anderem in Anspruch genommen wird. Doch wie auch immer, dies war nicht die Art von Unterhaltung, die Dubornos mit Cunomar zu führen wünschte. »Tut sie das? Das ist doch geradezu unmöglich, denn sie ist quasi die Fleisch gewordene Seele deines Vaters, nur in weiblicher Form eben, und das sieht auch jeder Krieger, egal ob Mann oder Frau. Ich denke, sobald deine Schwester ihre langen Nächte in der Einsamkeit absolviert hat, wird sie sich keine Gedanken mehr darüber machen, ob ein Mann unter Tausenden sie nun womöglich nicht auf jene Weise anschaut, wie sie... Was ist denn?«
Mit großen Augen, das Weiße so hell schimmernd wie bei einem erschreckten Pferd, die schwarzen Pupillen dunkel leuchtend, zeigte Cunomar hinunter in den Hexenkessel im Tal. »Der Dekurio«, sagte er. »Der mit dem gescheckten Pferd und dem Stier im Banner. Er schwimmt mit seinem Tier durch den Fluss. Und seine Truppe folgt ihm.«
Cunomar hatte Recht. Einige Dinge erfordern die ungeteilte Aufmerksamkeit eines Mannes, und die Art und Weise, in der Scapulas Legionen auf der Jagd nach Caratacus den Fluss bei der Lahmen Hirschkuh durchpflügten, war eines dieser Dinge. Dubornos lag nun auf seiner Felsklippe und beobachtete, wie die Thrakische Hilfstruppe, angeführt von jenem Mann, den er hasste wie keinen anderen, dessen Mut er aber zugleich auch nicht in Abrede stellen konnte, auf ihren Pferden in den reißenden Strom hineinritten, sich dann quer zur Flussrichtung stellten, und schließlich eine Leine von Mann zu Mann weiterreichten, entlang derer dann die Infanterie versuchen sollte, den Fluss zu durchwaten, ohne gleich bei dem Versuch umzukommen.
Der Offizier auf dem gescheckten Pferd stand in der Mitte des Stroms und hielt den Kriegern am entgegengesetzten Ufer sein Banner entgegen. Dort stand auch Efnís, der bereits mit Speeren auf Valerius zielte und ihm Steine entgegenschleuderte. Um Efnís herum hatte sich die Hälfte der gesamten Träumer von Mona versammelt, und auch andere Krieger hatten Valerius zu ihrer Zielscheibe auserkoren, aber nicht ein einziges Mal wurde er getroffen. Schleudersteine und Speere schossen über den breiten Strom hinweg, und zu beiden Seiten von Valerius starben Legionssoldaten und Kavalleristen der verschiedenen Truppen, doch das Banner des roten Stieres blieb weiterhin aufrecht, ebenso wie das unter dem Banner ausharrende gescheckte Pferd und sein Reiter.
Dubornos fluchte inbrünstig und wusste, dass er nicht der Einzige war. Es war allgemeine Ansicht, dass Briga von Zeit zu Zeit einen ihrer Boten in der Gestalt eines feindlichen Kriegers aussandte, um durch ihn die Leben jener zu fordern, die sie bereits für sich auserwählt hatte. In diesen Fällen konnte der Auserwählte nicht durch normale Waffen, sondern nur durch einen Träumer
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