Das Schwert der Keltin
dagegen, das sich nun von irgendeinem fernen Fenster durch den Korridor stahl, tat seinem Aussehen keinen sonderlich schmeichelhaften Dienst. Narcissus’ Haut hatte den gelblichen Stich des Alters bekommen und spannte. Sein Haar war bereits von einigen silbernen Strähnen durchzogen. Seine Tunika, die am vorigen Abend im milden Schein der Lampen noch als ein Muster an Dezenz und gutem Geschmack erschienen war, glitzerte nun vor lauter Gold und Silber in geradezu ordinärem Ausmaß.
Narcissus trat einen Schritt in den Raum hinein, jedoch nicht weit genug, als dass Dubornos ihn hätte erreichen und seinem Nacken einen tödlichen Schlag mit der Handkante hätte versetzen können; und ohnehin standen die Wachen zur sofortigen Gegenwehr bereit.
»Scapula ist tot«, verkündete Narcissus abermals. Mit blasser Zunge befeuchtete er seine noch blasseren Lippen. »Der Statthalter von Britannien ist in seinem Bett gestorben. In Camulodunum sagen sie, dies wäre das Werk der Träumer gewesen; als Rache dafür, dass wir Caratacus gefangen genommen haben. Stimmt das?«
»Möglicherweise«, entgegnete Dubornos. In seinem Schädel erschallten plötzlich Hörner, nein, eher ganze Fanfaren des Sieges. Die Freude machte ihn regelrecht schwindelig. Verglichen damit schien ihm die gerade in diesem Augenblick nur allzu gegenwärtige Gefahr für sein eigenes Leben nahezu irrelevant.
»Aber wie stellen sie das an? Sie sind noch nicht mal in seine Nähe gekommen, konnten sie schließlich gar nicht, er wurde ja Tag und Nacht bewacht. Können sie etwa auch aus der Ferne töten?«
Eine plötzliche Warnglocke in Dubornos’ Hinterkopf ließ ihn innehalten. »Ich weiß es nicht«, antwortete er. »Ich bin kein Träumer.«
»Nein, natürlich nicht.« Der ehemalige Sklave schnaubte verächtlich durch die Nase. »Du hast lediglich die letzten neun Jahre auf ihrer verfluchten Insel verbracht. Natürlich hast du keine Ahnung von ihren Tricks.« Wütend schürzte er die Lippen. Er schien wie die Verkörperung des Zorns persönlich, die Verheißung der nun schon sehr bald über Dubornos hereinbrechenden Gewalt. Das ist ein äußerst gewitzter und intelligenter Mann, dem im Allgemeinen nicht der Sinn nach Blutvergießen steht, hatte Caradoc gesagt. Er musste in jenem Augenblick aber ganz offenbar beschlossen haben zu vergessen, dass der Kaiser jene, die sich gegen ihn verschworen hatten, mit schöner Regelmäßigkeit zu Tode foltern ließ, und auch Claudius’ Minister gerne ähnlich verfuhren.
Narcissus’ Erregtheit verleitete ihn dazu, sich noch einen Schritt weiter in die Zelle hineinzuwagen, und er befand sich nun in Dubornos’ unmittelbarer Reichweite. Doch in Gedanken hörte Dubornos plötzlich wieder Caradocs Stimme: Sie haben meine Kinder … wenn es auch nur irgendetwas gibt, das wir tun können, damit sie überleben, dann müssen wir es tun. Das ist alles, worum es nun noch geht. Den bevorzugten Ratgeber des Kaisers zu töten aber würde sämtliche Chancen auf ein Überleben von Cunomar und Cygfa endgültig zunichte machen. Aufmerksam betrachtete Dubornos Narcissus’ Arme und seine wütend gerunzelte Stirn, während sein Herz wie wild gegen seinen Brustkorb hämmerte. Vor ihm schwebte - ebenso real wie die Gefangenenzelle - ein Bild des toten Scapula. Das hat bestimmt Airmid getan, für Breaca, dachte Dubornos, und nur eines tat ihm Leid: dass Caradoc nun nicht da war, um die wundervolle Neuigkeit gemeinsam mit ihm zu vernehmen. Laut antwortete er: »Es sterben doch jeden Tag Menschen, an Kriegsverletzungen, durch Seuchen, durch verdorbenes Essen. Warum sollte der Tod Eures Statthalters ausgerechnet das Werk der Träumer sein?«
Aus dem Korridor hinter den Wachen ertönte plötzlich eine zweite, ebenfalls römisch klingende Stimme: »Ihre Stämme jedenfalls - und auch die Legionen - glauben eben, dass es so war. Und es geht sogar schon das Gerücht durch die Reihen, dass sie Scapula nur zur Übung benutzten und es jetzt auf seinen Herrn, Claudius, abgesehen haben. Dass man Claudius’ Leben nun nur noch in Tagen statt in Monaten zählen könne. Der Legat der zweiten Legion hat wegen dieser Aufwiegelei zwar schon ein ganzes Dutzend Männer auspeitschen lassen, doch noch immer verbreitet sich dieses Gerücht mit der Geschwindigkeit eines Lauffeuers. Und wenn es Rom erreicht, dann ist Claudius so oder so quasi tot.«
Nun trat auch Callistus, Sekretär der Königlichen Privatschatulle, an den Wachen vorbei und quetschte sich in den
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