Das Schwert der Keltin
ließ, was er von dem sabbernden Schwachsinnigen hielt, der da vor ihm stand. Dieser Tonfall ließ selbst Cunomar erschaudern. Claudius starrte Caradoc einfach nur mit offenem Mund an und kicherte einmal nervös. Jene Soldaten der Gardekavalleriebrigade, die nicht unmittelbar in die Szene involviert waren, standen stocksteif und reglos da, wie aus Marmor gehauen, und starrten angestrengt geradeaus. Allein ihre Anwesenheit brachte sie schon in Lebensgefahr. Denn wenn ein Mann dadurch, dass er auf diese Art und Weise mit dem Kaiser sprach, sein Leben verlieren konnte - und diese Gefahr bestand eindeutig -, dann drohte das gleiche Schicksal auch denjenigen, die Zeugen dieses Vorfalls geworden waren.
Claudius war berühmt für seine geheimen Gerichtsverhandlungen und Massenexekutionen. Callon, der die Nachricht vom Tod Scapulas überbracht hatte, war bis in die Mitte des großen Gartens zurückgewichen, als ob diese Distanz ungefähr ausreichen müsste, um ihn damit in Sicherheit zu bringen. Ganz in der Nähe des Kaisers zwitscherte ein gelber Vogel in einem Käfig. Sein süßes Geträller verwandelte sich jedoch bald in Missklang und verlor sich schließlich gänzlich - man ignorierte ihn, und er verstummte.
Cunomar konnte die Unsicherheit des Kaisers deutlich spüren. Der Mann hatte nicht gewusst, dass sein Statthalter tot war, und die Neuigkeit, die ihm da gerade von seinem ehemaligen Sklaven überbracht worden war, war ebenso überraschend wie unangenehm. Nachdem die Fakten nun aber einmal geklärt waren, hatte Claudius’ erster Gedanke dem Spektakel seiner bereits geplanten Siegesfeier gegolten, und seine erste Empfindung war Wut gewesen, Wut über die Rücksichtslosigkeit seines Untergebenen, sich einen solch unpassenden Zeitpunkt für seinen Tod auszusuchen. Claudius presste die Handflächen gegen die Schläfen, als ob er große Schmerzen hätte, und sagte: »Er kann nicht tot sein. Wir brauchen ihn doch für die Prozession. Wer soll denn dann seinen Platz einnehmen?«
Callon war schon seit langem an die Prioritätensetzung seines Herrn gewöhnt. Mit aus langjähriger Erfahrung geborenem Geschick entgegnete er: »Eure Exzellenz, wir werden einen anderen Statthalter finden, der Scapula ersetzt, oder wir entschuldigen seine Abwesenheit einfach und ernennen so lange einen Stellvertreter. In jedem Fall aber denke ich, es wäre das Beste, wenn sein Tod erst einmal nicht überall bekannt würde, wenn wir damit vielleicht noch ungefähr bis zum Frühjahr warten könnten. Denn erst einmal müssen wir wieder für die Sicherheit Eurer Exzellenz sorgen. Der Träumer aber weiß wirklich nichts und ist jetzt ohnehin bewusstlos. Er hatte sich gewehrt, und die Wachen haben darauf ein wenig übereifrig reagiert. Sie wurden zwar wieder zur Ordnung gerufen, aber es wird trotzdem noch seine Zeit dauern, bis er wieder zu sich kommt. Und diese Zeit haben wir wahrscheinlich nicht. Wir müssen jetzt auf anderem Wege eine Lösung finden.«
» Was?«
Die unnatürliche Ruhe in dem gespenstischen, beklemmenden, von Blumenduft geschwängerten Garten des Kaisers war damit endgültig zerstört. Claudius und sein ehemaliger Sklave hatten Griechisch gesprochen und sich damit in einiger Sicherheit gewähnt, denn die Soldaten der Gardekavalleriebrigade hatten sie tatsächlich nicht verstanden. Caradoc aber war auf Mona unterrichtet worden, wo man die griechische Schrift und Sprache schon seit fünf Jahrhunderten studierte. Dagegen galt Latein dort bloß als ein aufstrebender junger Spross in einer Welt voller alter und weiser Sprachen. Und selbst Cunomar hatte genug von der Unterhaltung verstanden, um die plötzliche Einmischung seines Vaters voraussehen zu können.
»Was genau habt ihr Dubornos angetan?«
Caradoc hatte niemanden angegriffen, sondern war einfach nur einen Schritt näher an den Kaiser herangetreten und hatte seine mit Ketten gefesselten Arme erhoben. Die Wachen waren jedoch nicht gewillt, einem Mann den Freiraum zu gewähren, sich so deutlich zu artikulieren. Sie werteten Caradocs Verhalten als einen Angriff auf die Person des Kaisers und reagierten so, wie sie es für richtig hielten. Schließlich wurden die Soldaten der berittenen Leibgarde nicht wegen ihrer Scharfsinnigkeit oder aufgrund ihrer Achtung vor feindlichen Anführern eingestellt.
Nach diesem Zwischenfall hatte sich der ehemalige Sklave zurückgezogen. Jetzt existierte für Cunomar nur noch sein Vater - denn dieser stand gerade voller Zorn einem Verrückten
Weitere Kostenlose Bücher