Das Schwert der Keltin
so etwas wie eine Annäherung möglich gewesen. Schon aber traten die Wachen vor und packten Dubornos grob bei den Armen. Im allerletzten Moment, denn schließlich hatte er nichts mehr zu verlieren, begann Dubornos gegen sie zu kämpfen.
Das Messer war sehr scharf. Es wurde so lange in die Haut unter Cunomars Auge gedrückt, bis dünne Blutfäden herausquollen. Wenn er nach unten schielte, konnte er die blaugraue Klinge genau erkennen und die vielen feinen Schraffuren, die sich dort, wo das Messer über den Wetzstein gezogen worden war, in das Metall eingekerbt hatten. Die Linien schienen unter seinem Blick geradezu zu vibrieren, die Klinge jedoch blieb ganz ruhig; es war sein eigener Körper, der zitterte.
Cunomar blickte am Messer vorbei und zu jener Stelle hinüber, an der sein Vater, niedergezwungen von zwei Soldaten der berittenen Garde, auf dem kalten Marmor kniete. Allein Cunomar war es zuzuschreiben, dass die beiden Wachen noch lebten, so viel war ihnen allen klar. Wäre da nicht sein Sohn gewesen, der vor seinen Augen mit dem Messer bedroht wurde, dann hätte Caradoc, der bereits mehr als tausend Römer niedergemetzelt hatte, auch noch etliche weitere getötet, die Familie des Kaisers mit eingeschlossen, hätte sogar vor Claudius persönlich nicht Halt gemacht - oder wäre bei dem Versuch umgekommen.
Doch um Cunomars willen tat Caradoc nichts dergleichen, sondern kniete einfach nur auf dem Boden. Eine der Wachen umschlang mit festem Griff Caradocs goldenes Haar, und aus der wieder aufgeplatzten Wunde an seiner linken Wange rann purpurrot das Blut über seine kalkweiße Haut. Seine Lippen hatten eine gräuliche Farbe angenommen, es war jedoch nicht zu sagen, ob vor Wut oder vor Schmerz oder aufgrund der unermesslichen, schier übermenschlichen Anstrengung, die es ihn kostete, sich nicht zu wehren. Dann sprach Caradoc in einem Tonfall zu Claudius, als ob Seine kaiserliche Hoheit lediglich der begriffsstutzige Gehilfe eines Ziegenhirten wäre - und die Wirkung war genauso schlimm, als ob er wirklich gekämpft hätte.
Es gab nichts, was ein Kind in dieser Situation hätte tun können. Cunomar stand einfach nur stocksteif da, damit das Messer nicht noch tiefer in seine Haut schnitt, und betrachtete einen eleganten bronzenen Springbrunnen, aus dem das Wasser in den nicht minder eleganten kaiserlichen Garten plätscherte. Geradezu melodisch und in Tausenden von murmelnden Tränen sprudelte es aus der Flöte eines nackten, ziegenfüßigen Jungen und regnete schließlich in das grüne Marmorbecken zu Füßen dieser Statue hinab. Jetzt an Tränen zu denken, war jedoch keine sonderlich hilfreiche Idee, wie Cunomar fand. Er starrte also stattdessen auf die Schlangenspeerbrosche an der Tunika seines Vaters, die seine Peiniger ihm erstaunlicherweise noch nicht abgerissen hatten, und betete inständig darum, wieder zu seiner Mutter zurückkehren zu dürfen, zu Bodicea, der Siegreichen, deren Symbol ebenjener Schlangenspeer war. Eigentlich müsste es doch in ihrer Macht stehen, ihn und seinen Vater zu retten. In jedem Fall aber, das hatte Cunomar sich schon vor langer Zeit geschworen, würde er nicht weinen. Das war schließlich das Einzige, was er noch für seinen Vater tun konnte - obwohl es ihn einiges an Kraft kostete. Am schlimmsten jedoch war die Unterhaltung, die die Erwachsenen nun gerade über seinen Kopf hinweg führten und in der sie sich in Überlegungen ergingen, die einfach zu schrecklich waren, um genauer darüber nachzudenken.
»Dubornos weiß nichts. Was auch immer Ihr ihm antun werdet, er kann Euch nichts erzählen. Es gibt einfach nichts zu erzählen. Wenn Scapula tot ist, dann ist das auf keinen Fall das Werk der Träumer. Wenn sie wirklich aus der Ferne töten könnten, wenn sie einen Statthalter Roms und sogar einen Kaiser bedrohen könnten, meint Ihr nicht auch, dass sie das dann schon längst getan hätten? Wie viele von ihnen hat Tiberius kreuzigen lassen? Wie viele Gaius? Wie viele Ihr selbst? Zehn? Hunderte? Wenn es auch nur einem, geschweige denn allen von ihnen möglich gewesen wäre, eine solche Rache zu nehmen, glaubt Ihr nicht, dass zumindest einer von ihnen das in den Tagen und Nächten seines qualvollen Sterbens dann schon längst versucht hätte? Und wenn man so etwas trotzdem für möglich hält, ist das schlichtweg Aberglaube, und der steht einer zivilisierten Macht nur schlecht zu Gesicht!«
Caradoc sprach in jenem ungeduldigen, abgehackten Tonfall, der keinen Zweifel daran
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