Das Schwert der Vorsehung
riskieren, ihr in die Augen zu blicken. Er beruhigte sich, brachte die zitternden Hände unter Kontrolle. Sie hätte es spüren können. Er hörte die Schlösser ihrer Tasche klicken, Fläschchen und Porzellanphiolen klirren. Er hörte sie atmen, fühlte die Wärme ihres Schenkels. Sie kniete neben ihm.
»Meine Wunde«, sagte er, da er die Stille nicht ertrug. »War sie schwierig?«
»Nun ja, ein wenig.« Kälte in ihrer Stimme. »Bei Verwundungen von Zähnen kommt das vor. Die hässlichste Art von Wunden. Aber für dich wohl nichts Neues, Hexer.«
Sie weiß es. Sie stochert mir in den Gedanken herum. Liest sie sie? Wohl nicht. Und ich weiß auch, warum nicht. Sie hat Angst.
»Ja, wohl nichts Neues«, wiederholte sie und klapperte wieder mit Glasgefäßen. »Ich habe etliche Narben an dir gesehen ... Aber ich bin zurechtgekommen. Weißt du, ich bin Zauberin. Und gleichzeitig Heilerin. Mein Fachgebiet.«
Sie geht darauf ein, dachte er. Er sagte kein Wort.
»Was die Wunde betrifft«, fuhr sie ruhig fort, »musst du wissen, dass dich dein Puls gerettet hat, der viermal langsamer als der Puls eines gewöhnlichen Menschen geht. Sonst hättest du nicht überlebt, das kann ich mit Gewissheit sagen. Ich habe gesehen, was sie dir ums Bein gewickelt hatten. Es sollte einen Verband imitieren, aber den hat es schlecht imitiert.«
Er schwieg.
»Später«, fuhr sie fort und zog ihm das Wams bis zum Hals hoch, »kam eine Blutvergiftung hinzu, wie es bei Bisswunden gewöhnlich der Fall ist. Sie ist gebremst worden. Natürlich ein Hexerelixier? Das hat viel geholfen. Ich begreife aber nicht, warum du zugleich Halluzinogene genommen hast. Ich habe eine Menge von deinen Fieberphantasien gehört, Geralt von Riva.«
Sie liest meine Gedanken, sie tut es doch. Oder vielleicht hat ihr Yurga gesagt, wie ich heiße? Vielleicht habe ich mich unter dem Einfluss der »schwarzen Möwe« im Schlaf verplappert? Weiß der Teufel ... Aber das Wissen, wie ich heiße, nützt ihr nichts. Nichts. Sie weiß nicht, wer ich bin. Sie hat keine Ahnung, wer ich bin.
Er fühlte, wie sie ihm vorsichtig eine kalte, lindernde Salbe mit starkem Kampfergeruch auf den Rücken strich. Sie hatte kleine und sehr weiche Hände.
»Entschuldige, dass ich das auf herkömmliche Art tue«, sagte sie. »Ich könnte dir die wundgelegenen Stellen mit Hilfe von Magie heilen, aber ich habe mich bei der Wunde am Bein etwas verausgabt und fühle mich nicht besonders. Am Bein habe ich zusammengefügt und geschlossen, was möglich war, du bist nicht mehr in Gefahr. Steh aber in den nächsten zwei Tagen nicht auf. Sogar die magische Verbindung von Blutgefäßen bricht leicht auf, du würdest hässliche Blutergüsse bekommen. Eine Narbe bleibt natürlich. Noch eine in der Sammlung.«
»Danke ...« Er presste die Wange gegen die Felle, um die Stimme zu verstellen, ihren natürlichen Klang zu tarnen. »Kann ich erfahren ... wem ich danke?«
Sie wird es nicht sagen, dachte er. Oder lügen.
»Ich heiße Visenna.«
Ich weiß, dachte er.
»Ich freue mich«, sagte er langsam, noch immer die Wange an den Fellen. »Ich freue mich, dass unsere Wege sich gekreuzt haben, Visenna.«
»Nun ja, ein Zufall«, antwortete sie kühl, während sie ihm das Wams über den Rücken zog und ihn mit Pelzen zudeckte. »Die Nachricht, dass ich gebraucht werde, habe ich von den Zöllnern an der Grenze erhalten. Wenn ich gebraucht werde, reite ich hin. Das ist so eine seltsame Angewohnheit von mir. Pass auf, die Salbe lasse ich dem Kaufmann da, bitte ihn, dich morgens und abends einzureiben. Wie er behauptet, hast du ihm das Leben gerettet, also soll er sich dankbar erweisen.«
»Und ich? Wie könnte ich mich dir dankbar erweisen, Visenna?«
»Reden wir nicht davon. Von Hexern nehme ich keinen Lohn. Nenn es Solidarität, wenn du willst. Berufssolidarität. Und Sympathie. Im Rahmen dieser Sympathie ein freundschaftlicher Rat, oder wenn du willst, ein Rat von der Heilerin. Hör auf, Halluzinogene zu nehmen, Geralt. Halluzinogene helfen nicht. Gegen nichts.«
»Danke, Visenna. Für die Hilfe und für den Rat. Ich danke dir ... für alles.«
Er brachte die Hand unter den Fellen hervor, strich ihr über die Knie. Sie zuckte zusammen, worauf sie ihre Hand in seine legte, sie leicht drückte. Vorsichtig machte er seine Finger frei, strich damit über ihre Hand, über den Unterarm.
Natürlich. Die glatte Haut eines jungen Mädchens. Sie zuckte noch stärker, wich aber nicht zurück. Er kehrte mit
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