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Das Schwert der Vorsehung

Das Schwert der Vorsehung

Titel: Das Schwert der Vorsehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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zu sein. »Ich habe geraten.«
    »Aha. Das hätte ich mir denken können. Und dass keins von ihnen sich als Hexer eignet? Ist das wahr? Und wie konntest du das feststellen? Mit Magie?«
    »Calanthe«, sagte er leise. »Ich brauchte das weder festzustellen noch nachzuprüfen. Was du vorhin gesagt hast, war die reine Wahrheit. Jedes Kind eignet sich. Es entscheidet die Auslese. Später.«
    »Bei den Göttern des Meeres, wie mein andauernd abwesender Mann zu sagen pflegt!« Sie lächelte. »Also ist das alles nicht wahr? Das ganze Recht der Überraschung? Die Legenden von Kindern, die jemand nicht erwartet hat, und von denen, die einem zuerst entgegenkommen? Das habe ich geahnt! Es ist ein Spiel! Ein Spiel mit dem Zufall, mit dem Schicksal! Aber das ist ein verteufelt gefährliches Spiel, Geralt.«
    »Ich weiß.«
    »Ein Spiel mit jemandes Leid. Warum, sag mir, werden die Eltern oder Beschützer von Kindern zu derart schwierigen und schweren Gelöbnissen gezwungen? Warum werden Kinder fortgenommen? Es gibt doch ringsumher genug, die man niemandem fortzunehmen braucht. Auf den Straßen bieten sich ganze Banden von Obdachlosen und Waisen an. In jedem Dorf kann man billig ein Kind kaufen, vor der Ernte verkauft jeder Bauer gern eins, denn was soll’s, er macht im Handumdrehen ein neues. Warum also? Warum hast du Duny, Pavetta und mir das Gelöbnis aufgezwungen? Warum erscheinst du hier genau sechs Jahre nach der Geburt des Kindes? Und warum, verdammt, willst du es nicht, warum sagst du, dir sei nicht an ihm gelegen?«
    Er schwieg. Calanthe nickte.
    »Du antwortest nicht«, stellte sie fest und lehnte sich im Sessel zurück. »Suchen wir den Grund für dein Schweigen. Die Logik ist die Mutter allen Wissens. Und was sagt sie uns? Was haben wir hier? Einen Hexer, der eine im sonderbaren und zweifelhaften Recht der Überraschung verborgene Vorherbestimmung sucht. Der Hexer findet diese Vorherbestimmung. Und verzichtet plötzlich darauf. Er will, wie er behauptet, das Überraschungskind nicht. Sein Gesicht ist steinern, in seiner Stimme klingen Eis und Metall. Er denkt, dass die Königin – immerhin eine Frau – sich täuschen, sich vom Anschein harter Männlichkeit irreführen lässt. Nein, Geralt, ich werde dich nicht schonen. Ich weiß, warum du auf die Wahl des Kindes verzichtest. Du verzichtest, weil du nicht an die Vorherbestimmung glaubst. Weil du dir nicht sicher bist. Und du, wenn du dir nicht sicher bist ... Dann beginnst du dich zu fürchten. Ja, Geralt. Was dich bewegt, ist die Furcht. Bestreite es.«
    Langsam stellte er den Pokal auf den Tisch. Langsam, damit das Klirren des Silbers auf dem Malachit nicht das Zittern seiner Hand verriet, dessen er nicht Herr wurde.
    »Du bestreitest es nicht?«
    »Nein.«
    Sie beugte sich rasch vor, ergriff seine Hand. Kräftig.
    »Du hast in meinen Augen gewonnen«, sagte sie. Und lächelte. Es war ein hübsches Lächeln. Gegen seinen Willen, gewiss gegen seinen Willen erwiderte er es.
    »Wie bist du darauf gekommen, Calanthe?«
    »Ich bin nicht darauf gekommen.« Sie ließ seine Hand nicht los. »Ich habe geraten.«
    Gleichzeitig lachten sie los. Dann saßen sie schweigend inmitten des Grüns und des Duftes der Ahlkirschbäume, inmitten der Wärme und des Summens der Bienen.
    »Geralt?«
    »Ja, Calanthe?«
    »Du glaubst nicht an die Vorherbestimmung?«
    »Ich weiß nicht, ob ich überhaupt an etwas glaube. Was aber die Vorherbestimmung betrifft ... Ich fürchte, sie genügt nicht. Es braucht etwas mehr.«
    »Ich muss dich etwas fragen. Was ist mit dir? Du warst ja wohl auch ein Überraschungskind. Mäussack behauptet ...«
    »Nein, Calanthe. Mäussack hat ganz etwas anderes gemeint. Mäussack ... Er weiß es wohl. Aber er benutzt diesen nützlichen Mythos, wenn es ihm zupass kommt. Es ist nicht wahr, dass ich derjenige gewesen wäre, den man zu Hause antraf und mit dem man nicht gerechnet hatte. Es ist nicht wahr, dass ich eben darum Hexer geworden wäre. Ich bin ein gewöhnliches Findelkind, Calanthe. Der unerwünschte Bankert einer Frau, an die ich mich nicht erinnere. Aber ich weiß, wer sie ist.«
    Die Königin sah ihn durchdringend an, doch der Hexer sprach nicht weiter.
    »Sind alle Geschichten vom Recht der Überraschung Legenden?«
    »Alle. Den Zufall kann man schwerlich Vorherbestimmung nennen.«
    »Aber ihr Hexer hört nicht auf zu suchen?«
    »Wir hören nicht auf. Doch es hat keinen Sinn. Nichts hat Sinn.«
    »Ihr glaubt, dass ein Kind der Vorsehung die Proben

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