Das Schwert der Vorsehung
»Wir hatten vielleicht ein Glück. Soweit das alles war. Soweit sie uns nicht sofort greifen ...«
»Beruhige dich«, sagte der Hexer, »und hör auf zu jammern. Es ist doch nichts passiert.«
»Weißt du, wer das war, Geralt?«
»Nein.«
»Das war Chappelle, der Statthalter für Sicherheitsfragen. Der Geheimdienst von Nowigrad untersteht der Kirche. Chappelle ist kein Priester, aber er ist die graue Eminenz der Hierarchie, der mächtigste und gefährlichste Mensch in der Stadt. Alle, sogar der Rat und die Zünfte, haben vor ihm die Hosen voll, denn das ist ein Schurke reinsten Wassers, von der Macht berauscht wie die Spinne vom Fliegenblut. In der Stadt erzählen sie, wenn auch nur leise, was er fertigbringt. Menschen verschwinden spurlos. Falsche Anklagen, Foltern, geheime Morde, Terror, Erpressung und gewöhnlicher Raub. Nötigung, Schwindel und Affären. Bei den Göttern, in eine schöne Geschichte hast du uns hineingezogen, Biberveldt.«
»Gib Ruhe, Rittersporn«, fauchte Dainty. »Gerade du hast was zu befürchten. Niemand rührt einen Troubadour an. Aus mir unbegreiflichen Gründen seid ihr unantastbar.«
»Ein unantastbarer Dichter«, stöhnte Rittersporn, noch immer bleich, »kann auch in Nowigrad unter einen einherjagenden Wagen geraten, an einer Fischvergiftung sterben oder unglücklich im Straßengraben ertrinken. Chappelle ist Spezialist für derlei Unfälle. Dass er überhaupt mit uns gesprochen hat, halte ich für unerhört. Eins ist sicher, ohne Grund hat er das nicht getan. Er heckt irgendwas aus. Ihr werdet sehen, gleich werden sie uns was anhängen, uns schnappen und im Angesicht des Gesetzes auf die Folter schleppen. So macht man das hier!«
»Es ist viel dran an dem, was er sagt«, meinte der Halbling zu Geralt. »Wir müssen uns vorsehen. Dass diesen Lumpen Chappelle überhaupt noch die Erde trägt! Seit Jahren heißt es von ihm, dass er krank ist, dass ihm das Blut stockt, und alle warten, dass er das Zeitliche segnet ...«
»Schweig, Biberveldt«, zischte der Troubadour ängstlich und blickte sich um, »es kann jederzeit jemand hören. Seht, wie sie uns alle anstarren. Lasst uns hier verschwinden. Und ich rate, ernst zu nehmen, was uns Chappelle über den Doppler gesagt hat. Ich zum Beispiel hab mein Lebtag keinen Doppler gesehen; wenn es sein muss, beschwör ich das vor dem Ewigen Feuer.«
»Schaut«, sagte plötzlich der Halbling. »Da kommt jemand auf uns zu.«
»Nichts wie weg!«, schrie Rittersporn auf.
»Ruhig, ruhig.« Dainty lachte breit und fuhr sich mit den Fingern durch den Schopf. »Ich kenne ihn. Das ist Pizmak, ein hiesiger Kaufmann, der Schatzmeister der Zunft. Wir haben zusammen Geschäfte gemacht. He, seht nur, was er für ein Gesicht macht! Als ob er sich in die Hosen gekackt hätte. He, Pizmak, suchst du mich?«
»Beim Ewigen Feuer!«, sprudelte Pizmak hervor, während er sich die Fuchspelzmütze auf den Hinterkopf schob und sich die Stirn mit den Händen abwischte. »Ich war sicher, dass sie dich in die Festung schleppen. Wirklich, das ist ein Wunder. Ich staune ...«
»Nett von dir«, unterbrach ihn der Halbling spöttisch, »dass du staunst. Mach uns noch mehr Freude und sag, worüber.«
»Stell dich nicht dumm, Biberveldt.« Pizmak runzelte die Stirn. »Die ganze Stadt weiß schon, was für ein Geschäft du mit den Koschenillen gemacht hast. Alle reden schon darüber, und es ist offensichtlich auch zum Hierarchen vorgedrungen, auch zu Chappelle, wie gewitzt du bist, wie schlau du an dem verdient hast, was in Poviss passiert ist.«
»Wovon faselst du, Pizmak?«
»Oh, Götter, hör doch auf, Dainty, mit dem Schwanz hin und her zu wischen wie ein Fuchs. Du hast Koschenille gekauft? Halb umsonst, für fünfundzwanzig den Scheffel? Hast du. Du hast dir die schwache Nachfrage zunutze gemacht und mit einem avalierten Wechsel bezahlt, keinen Groschen Bargeld ausgegeben. Und was? Im Laufe eines einzigen Tages hast du die ganze Ladung zum vierfachen Preis verscherbelt, noch dazu bar auf die Hand. Wirst du vielleicht die Dreistigkeit besitzen zu behaupten, das sei ein Zufall gewesen, einfach nur Glück? Dass du, als du die Koschenille gekauft hast, nichts von dem Umsturz in Poviss wusstest?«
»Dass ich was? Wovon redest du?«
»Ein Umsturz war in Poviss!«, brüllte Pizmak. »Und diese, wie heißt es doch gleich ... Rollefurzion! König Rhyd ist gestürzt worden, jetzt herrscht dort der Clan der Thysseniden! Der Hof, der Adel und Rhyds Heer haben Blau getragen,
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