Das Schwert der Vorsehung
gleich. Und das Gesetz ist für alle gleich – jeder, der das Ewige Feuer lästert, kommt auf den Scheiterhaufen, und sein Besitz wird konfisziert. Aber genug davon. Ich wiederhole, ihr könnt ungehindert die Tore Nowigrads passieren. Am besten ...«
Chappelle deutete ein Lächeln an, zog die Wangen zu einer schlauen Grimasse ein, ließ den Blick über den Platz schweifen. Die wenigen Passanten, die den Vorgang beobachteten, beschleunigten den Schritt, wandten das Gesicht ab.
». .. am besten«, fuhr Chappelle fort, »sofort. Unverzüglich. Es versteht sich von selbst, dass in Bezug auf den ehrenwerten Kaufmann Biberveldt dieses ›unverzüglich‹ bedeutet: ›unverzüglich nach Erledigung der Steuerangelegenheiten‹. Ich danke den Herrschaften für die Zeit, die ihr mir gewidmet habt.«
Dainty, der sich abgewandt hatte, bewegte lautlos die Lippen. Der Hexer zweifelte nicht daran, dass das lautlose Wort »Hurensohn« lautete. Rittersporn hielt den Kopf gesenkt und lächelte dümmlich.
»Herr Hexer«, sagte Chappelle plötzlich. »Wenn Ihr so freundlich sein wollt, ein Wort unter vier Augen.«
Geralt ging auf ihn zu, Chappelle streckte ein wenig die Hand aus. Wenn er meinen Arm berührt, schlag ich ihn nieder, dachte der Hexer. Ich schlag ihn nieder, obwohl ich nicht weiß, was dann wird.
Chappelle berührte Geralts Arm nicht.
»Herr Hexer«, sagte er leise und wandte den anderen den Rücken zu. »Mir ist bekannt, dass manche Städte im Unterschied zu Nowigrad den göttlichen Schutz des Ewigen Feuers entbehren. Nehmen wir also an, dass ein Geschöpf in der Art eines Vexlings in einer von diesen Städten sein Unwesen treibt. Ich frage mich, für wie viel würdet Ihr es dann unternehmen, den Vexling lebendig zu fangen?«
»Ich lasse mich nicht zur Jagd auf Ungeheuer in bevölkerten Städten anstellen.« Der Hexer zuckte mit den Schultern. »Es könnte schließlich ein Unbeteiligter zu Schaden kommen.«
»So viel liegt dir am Schicksal Unbeteiligter?«
»So viel. Denn in der Regel schreibt man mir die Verantwortung für ihr Schicksal zu. Und droht mit Konsequenzen.«
»Ich verstehe. Aber wäre die Sorge um das Schicksal nicht umgekehrt proportional zur Höhe der Bezahlung?«
»Das wäre sie nicht.«
»Dein Ton, Hexer, gefällt mir nicht besonders. Aber lassen wir das, ich verstehe, was du mit diesem Ton andeuten willst. Du deutest an, dass du das nicht tun willst ... worum ich dich bitten könnte, wobei die Höhe der Bezahlung keine Rolle spielen würde. Aber die Art der Bezahlung?«
»Ich verstehe nicht.«
»Ich denke, doch.«
»Doch nicht.«
»Rein theoretisch«, sagte Chappelle leise, ruhig, ohne Bosheit oder Drohung in der Stimme, »könnte es sein, dass die Bezahlung für deine Dienste in der Zusicherung bestünde, dass du und deine Freunde die ... die hypothetische Stadt lebendig verlassen dürftet. Was dann?«
»Auf diese Frage« – der Hexer lächelte widerwärtig – »kann man nicht theoretisch antworten. Die Situation, von der Ihr sprecht, ehrwürdiger Chappelle, müsste man in der Praxis durchspielen. Es drängt mich durchaus nicht danach, aber wenn es sein muss ... Wenn es keinen anderen Ausweg gibt ... bin ich bereit, es zu exerzieren.«
»Ha, vielleicht hast du ja recht«, antwortete Chappelle gleichmütig. »Wir theoretisieren zu viel. Was indes die Praxis angeht, so sehe ich, dass ich nicht auf Mitwirkung rechnen könnte. Vielleicht ist es auch gut so? Jedenfalls hege ich die Hoffnung, dass das nicht zu einem Konflikt zwischen uns Anlass gibt.«
»Auch ich«, erklärte Geralt, »hege diese Hoffnung.«
»Möge also in uns die Hoffnung brennen, Geralt von Riva. Weißt du, was das Ewige Feuer ist? Eine nie verlöschende Flamme, ein Symbol der Beständigkeit, ein Weg in der Dunkelheit, das Versprechen des Fortschritts, einer besseren Zukunft? Das Ewige Feuer, Geralt, ist die Hoffnung. Für alle, für alle ohne Ausnahme. Denn wenn es etwas gibt, das wir gemein haben ... du, ich, die anderen ... dann ist das nichts anderes als die Hoffnung. Denk daran. Ich freue mich, dich kennengelernt zu haben, Hexer.«
Geralt verneigte sich steif und wortlos. Chappelle betrachtete ihn eine Weile, dann wandte er sich energisch ab und marschierte über den Platz, ohne sich nach seinem Geleit umzuschauen. Die mit den Lamien bewaffneten Männer folgten ihm und formierten sich zu einer Kolonne.
»O du lieber Himmel«, begann Rittersporn zu wimmern und schaute sich verstohlen nach den Abziehenden um.
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