Das Schwert der Wahrheit 9: Die Magie der Erinnerung (German Edition)
hatte ihr eine Heidenangst eingejagt, und nun erging es ihr ebenso.
Noch nie hatte sie jemanden so humorlos, so boshaft lächeln sehen wie Kronos in diesem Moment, und doch schien es sie nicht wirklich zu berühren.
»Eine recht beachtliche Leistung, einen Zauberer zu töten – jedenfalls für eine Hexenmeisterin. Andererseits ist Euch dieses kleine Kunststück nur dank eines Verrats gelungen, weshalb man es kaum als wirkliche Leistung bezeichnen kann. Im Grunde war es nichts weiter als eine primitive, hinterhältige Täuschung.«
Er hatte keine Ahnung. Plötzlich dämmerte Nicci, dass er noch immer keinen Schimmer hatte, wer … oder was … sie tatsächlich war. Sie war keineswegs bloß eine Hexenmeisterin.
Nur – wenn sie überhaupt etwas sein wollte, brauchte sie dringend eine Lunge voll Atemluft.
Schon begann sich ihr Blickfeld zu einem schwarzen Tunnel zu verengen, an dessen Ende sich das Gesicht des Zauberers zu einer wütenden Maske verzerrte. Unter Aufbietung all ihrer Kräfte versuchte sie, Luft in ihre Lungen zu saugen, doch es war, als hätte ihr Körper schlicht vergessen, wie man atmete.
Zu ihrer Überraschung bewirkte der Luftmangel, dass ihr Brustkorb pochend zu schmerzen begann. Das hatte sie nicht erwartet. Trotz ihrer erlahmenden, verzweifelten Bemühungen, Luft in ihre Lungen zu bekommen, blieb der Leben spendende Atemzug einfach aus, sodass sie nur eins vermuten konnte: Wer immer sie niedergeknüppelt haben mochte, er musste sie so ernsthaft verletzt haben, dass sie nie wieder einen Leben spendenden Atemzug in ihre Lungen würde saugen können.
Schließlich biss Kronos die Zähne aufeinander und packte ihre Brust mit einem furchtbaren, schraubstockartigen und mit Dornen aus Magie versehenen Griff, dessen einziger Zweck darin bestand, ihr schier unerträgliche Qualen zu bereiten.
Der unvermittelte, jähe, schockartige Schmerz ließ sie keuchend Luft in ihre Lungen saugen, ehe sie überhaupt merkte, wie ihr geschah.
Mit der Luft strömte ein fast wollüstiges Gefühl von Lebendigkeit in ihre Lungen. Ohne bewusst darüber nachzudenken, was sie tat, schlug sie instinktiv mit ihrem Han nach der Ursache des stechenden Schmerzes.
Kronos stieß einen Schrei aus, taumelte und hielt sich die Hand, die eben auf ihrer Brust gelegen hatte und die zum Werkzeug seiner Rache an ihr hatte werden sollen. An seinem Handgelenk tropfte Blut herab, das unter dem Ärmel seines Gewandes versickerte.
Sie hatte ihn zwar zwingen können, von ihr abzulassen, hatte ihn sogar verletzen können, trotzdem war sie viel zu benommen, um die Kräfte aufzubieten, die nötig gewesen wären, die ungeheuren Abwehrmechanismen eines Zauberers zu überwinden und ihn zu töten. Japsend würgte sie gierig Luft hinunter, obwohl ihr jeder Atemzug Schmerzen bereitete – allerdings wusste sie jetzt, dass es sehr viel schmerzhafter war, gar keine Luft zu bekommen.
»Du widerliches Miststück!«, brüllte Kronos. »Wie kannst du es wagen, deine Kraft gegen mich einzusetzen! Du glaubst doch nicht etwa, deine Gabe wäre mir gewachsen! Bald schon wirst du wissen, was sich für dich ziemt!«
Zornesröte stieg ihm ins Gesicht. Mit einem feinen Strang ihres Han konnte Nicci die mächtigen Schilde ertasten, die er vor sich errichtet hatte. Zuvor jedoch hatte sie ihm offenbar das Fleisch von den Fingern gesengt, denn er hielt seine zitternde Hand an seine Brust gepresst. Sie war sich voll und ganz darüber im Klaren, dass er fest entschlossen war, sich ausgiebig und grausam an ihr zu rächen.
Er schrie sie an, fluchte, überhäufte sie mit übelsten Beschimpfungen, gab ihr zu verstehen, was er alles mit ihr zu tun gedachte und was mit ihr geschehen würde, sobald er mit ihr fertig wäre. Das Grinsen auf den Mienen der das Spektakel verfolgenden Soldaten wurde immer breiter, als sie hörten, welcher Art diese Pläne waren.
Er hielt sie für eine Hexenmeisterin und war überzeugt, ihre Gabe mit der seinen bezwingen zu können, aber er wusste nicht, dass sie weit mehr war – schließlich war sie zwischenzeitlich zu einer Schwester der Finsternis geworden. Aber selbst wenn – er hätte, wie die meisten Menschen, die volle erschreckende Bedeutung, die sich hinter diesem Namen verbarg, gar nicht begriffen. Denn eine Schwester der Finsternis beherrschte nicht nur ihre eigene Gabe, sondern besaß darüber hinaus das Han eines Zauberers, der seiner Gabe beraubt wurde, ehe er durch den Schleier in das Totenreich hinübergewechselt war.
Und als
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