Das Schwert der Wahrheit 9: Die Magie der Erinnerung (German Edition)
sammelten sie sich augenblicklich.
Mittlerweile sirrten aus allen Himmelsrichtungen Pfeile durch die Luft, und die ersten Speere zischten vorüber. Ein Pfeil streifte Niccis Haar, ein zweiter berührte sie immerhin so hart an der Schulter, dass er eine Wunde riss. Mit den Fersen gegen Sa’dins Rippen trommelnd, beugte sie sich flach nach vorne über seinen Widerrist und war erstaunt, wie kraftvoll sich das Pferd mit einem Sprung in Bewegung setzte. Furchtlos galoppierte es mitten durch die ihnen entgegeneilenden Soldaten, wobei die Hufe des Hengstes ein widerliches Geräusch von sich gaben, sobald sie einen Knochen trafen. Soldaten taumelten zur Seite, Sa’din setzte über Zelte und Lagerfeuer hinweg. Grauenhafte Schreie erfüllten die Luft. Nicci nutzte auf ihrem Ritt quer durch das Feldlager jede Gelegenheit, auch weiterhin Tod und Verderben zu verbreiten. Doch dann erhob sich hinter ihrem Rücken quer durch das ganze Tal ein vieltausendfacher wütender Schrei von beängstigender Kraft und Wildheit.
Augenblicklich schoss ihr mit aller Schärfe Richards Warnung durch den Kopf, dass ein einziger glücklicher Pfeil bereits genügen konnte – und jetzt umschwirrten sie sie zu tausenden. Statt weiter anzugreifen, leitete sie ihre Kräfte um und schirmte sich und ihr Pferd ab.
Schließlich aber, während Sa’din sie noch immer mitten durch Soldaten, Wagen und Zelte trug, gab sie ihre Schutzmechanismen auf und bündelte ihre Gabe erneut zu einer Sichel, die alles Lebendige zerteilte, sofern es nur nahe genug war. Die stark konzentrierte und komprimierte Luft ging durch Soldaten hindurch, die angerannt kamen, um sich ihr in den Weg zu stellen. Sobald ihr Pferd über Hindernisse hinwegsetzte oder unter anderen hindurchtauchte, traf die aus ihrer Kraft gebildete tödliche Schneide die Soldaten mal in Höhe ihrer Knie, um Augenblicke später andere zu enthaupten. Pferde schrien, als ihnen die Beine unter dem Körper abgetrennt wurden und sie hilflos zu Boden stürzten. Eine Woge aus entsetzten und gequälten Schreien folgte ihr dicht auf den Fersen, doch das wutentbrannte Gebrüll schwoll unüberhörbar immer weiter an.
Während sie durch das Feldlager raste, konnte Nicci ringsumher Soldaten ihre Pferde satteln und aufsitzen sehen. Speere und Lanzen wurden von den überall im Feldlager errichteten Stapeln gerissen. Nicci wünschte sich, diese Waffen zerstören zu können, stattdessen musste sie ihre ganze Konzentration aufbieten, um sich auf Sa’dins Rücken zu halten, während er über jedes Hindernis in seinem Weg hinwegsprang, mitunter sogar über einen Wagen. Das Tier schien geradezu besessen von dem Gedanken, sie so schnell wie möglich außer Gefahr zu bringen, trotzdem war eine wachsende Zahl von Soldaten, zu Fuß oder zu Pferd, im Begriff, ihre Verfolgung aufzunehmen.
Kaum hatte sie die letzten Zelte hinter sich gelassen, riskierte Nicci einen Blick über die Schulter. Das gesamte Lager war in heillosem Aufruhr, noch immer züngelten Flammen in den Himmel, und an mehreren Stellen türmten sich Wolken öligen schwarzen Rauches auf. Sie hatte keine Ahnung, wie viele Soldaten sie getötet hatte, aber mittlerweile hatten sie sich zu tausenden an ihre Fersen geheftet. Das harte Stampfen, das sie auf dem Rücken des galoppierenden Pferdes hinnehmen musste, war überaus schmerzhaft für ihren Rücken.
Aber wenigstens hatte sie Kronos ausgeschaltet. Diese Leute hatten sie zu täuschen versucht, aber letzten Endes hatte sie das nur einen zweiten Zauberer gekostet, einen Zauberer, von dem sie gar nicht gewusst hatte, dass er die Truppen begleitete, was für die Verteidiger in Altur’Rang verheerende Auswirkungen hätte haben können. Das Ganze hatte sich als Glücksfall erwiesen.
Sofern es nicht drei – oder noch mehr! – von diesen Zauberern gab.
28
Als Nicci den Kamm eines Hügels erreichte, bot ihr der erste Blick auf die gewaltige Stadt in der Ferne ein prächtiges Panorama. Ein flüchtiger Blick über die Schulter ergab, dass die herandonnernde Kavallerie ihr dicht auf den Fersen war; sie konnte ihre erhobenen Schwerter, Streitäxte, Speere und Lanzen, den stählernen Borsten eines gewaltigen Stachelschweins gleich, im Licht der untergehenden Sonne blinken sehen. Hinter ihnen stieg eine Staubwolke auf, die bereits weite Teile des dunkler werdenden Himmels im Osten verdeckte, und das blutrünstige Schlachtgebrüll war Furcht erregend.
Und das war nur die Kavallerie, weiter hinten, das wusste sie,
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