Das Schwert der Wahrheit 9: Die Magie der Erinnerung (German Edition)
Geographie, Politik, Naturwissenschaften und Prophezeiungen ans Licht gebracht, die Verna noch nie zuvor zu Gesicht bekommen hatte. Man hätte ein Leben lang durch diese Säle irren können, und doch hatte Berdine behauptet, der Palast des Volkes verfüge über eine Reihe solcher Bibliotheken, von solchen, die einer Vielzahl von Personen offen standen, bis hin zu einigen wenigen, die von niemandem außer dem jeweiligen Lord Rahl und, vermutete Verna, seinen engsten Vertrauten betreten werden durften. Diese gehörte zu letzterer Kategorie.
Berdine hatte ihr erzählt, Darken Rahl hätte sie, weil des Hoch-D’Haran mächtig, bisweilen in seine privatesten Bibliotheken mitgenommen, um ihre Meinung bezüglich Übersetzungen unverständlicher Passagen alter Texte einzuholen. Infolgedessen befand sich Berdine in der einzigartigen Situation, zumindest einen gewissen Einblick in den Reichtum an potenziell riskantem Wissen zu besitzen, das hier bewahrt wurde.
Nun waren nicht alle Prophezeiungen gleichermaßen unerquicklich, vieles entpuppte sich als eher unbedeutend und recht harmlos. Die meisten Menschen machten sich gar nicht klar, dass ein Großteil der prophetischen Textpassagen sich auf etwas bezog, das letztendlich nicht viel mehr war als Tratsch.
Es gab Schriften, die im Großen und Ganzen völlig harmlos waren, andere dagegen waren für jeden außer dem geübten Leser von der ersten bis zur letzten Zeile überaus gefährlich. Diese spezielle Bibliothek enthielt einige der gefährlichsten Verna bekannten Bücher der Prophezeiungen, Bücher, die im Palast der Propheten als so unzuverlässig galten, dass man sie nicht im Hauptgewölbe, sondern in kleineren, mit starken magischen Schilden abgeschirmten Kellern aufbewahrte, zu denen – außer einer Hand voll im Palast lebender Personen – niemand Zutritt hatte. Diese Bücher waren vermutlich auch der Grund, warum diese spezielle Bibliothek dem Meister Rahl allein als ganz privates Refugium diente. Verna bezweifelte stark, dass man ihr den Zutritt gewährt hätte, wäre sie nicht in Begleitung einer Mord-Sith gewesen.
An einem so behaglichen Ort hätte sie glücklich und zufrieden lange Stunden mit dem Studium zahlloser, nie gesehener Bücher verbringen können, aber leider fehlte ihr genau das – ausreichend Zeit. Gedankenversunken fragte sie sich, ob Richard diese Schätze, die ihm jetzt, als Lord Rahl, gehörten, überhaupt je zu Gesicht bekommen hatte.
Berdine tippte mit dem Finger auf eine leere Seite in dem Buch Theorie der Abweichungen von Glendhill. »Lasst Euch gesagt sein, Prälatin, ich habe dieses Buch mit Lord Rahl zusammen in der Burg der Zauberer in Aydindril eingehend studiert.«
»Das sagtet Ihr bereits.«
Verna fand es, vorsichtig ausgedrückt, erstaunlich, dass Richard dieses Werk überhaupt kannte. Noch interessanter fand sie allerdings, dass er sich in Anbetracht seiner Abneigung gegen Prophezeiungen und des Umstandes, dass es in diesem Buch der Prophezeiungen größtenteils um seine Person ging, eingehend damit befasst haben sollte.
Die merkwürdigen kleinen Details, Richard betreffend, auf die sie von Zeit zu Zeit stieß, schienen kein Ende nehmen zu wollen. Zum Teil beruhte seine ablehnende Haltung gegen Prophezeiungen auf seiner Aversion gegen jede Art von Rätsel, die er zutiefst verabscheute. Sie wusste allerdings auch, dass seine Abneigung gegen Prophezeiungen zu großen Teilen auf seinen Glauben an die Freiheit des Willens zurückging, auf seinen Glauben, dass er selbst und nicht die Hand des Schicksals sein Leben zu dem machte, was es war.
So vielschichtig die Prophezeiungen auch sein mochten und sosehr ihre zahlreichen Bedeutungsebenen das Verständnis der meisten überforderten, im Kern kreisten sie um Dinge, die ihrem Wesen nach vorherbestimmt waren. Trotzdem war es Richard mehr als einmal gelungen, eine Prophezeiung zu erfüllen und sie dabei im selben Atemzug zu widerlegen.
Mit einer gewissen Bitterkeit argwöhnte Verna, dass die Prophezeiungen nur deswegen Richards Geburt vorhergesagt hatten, damit er auf die Welt kommen und den Beweis für die Ungültigkeit der Idee der Prophezeiungen liefern könne.
Es war nie einfach gewesen, Richards Verhalten vorherzusagen, nicht einmal mithilfe der Prophezeiungen oder vielleicht gerade ihretwegen. Anfangs hatte seine merkwürdige Handlungsweise sie oft verwirrt, sodass sie nie vorhersagen konnte, wie er auf eine Situation reagieren oder was er als Nächstes tun würde. Mit der Zeit
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