Das Schwert der Wahrheit 9: Die Magie der Erinnerung (German Edition)
nehmen können. Er hatte keine Ahnung, wie eine solche Konfrontation ausgehen mochte, wollte aber weder riskieren, Shotas Enthüllungen zu verlieren … noch Cara.
»Ich tue, was ich tun muss«, erklärte er Cara mit ruhiger Stimme. »Macht die Sache nicht noch komplizierter, als sie schon ist.«
Er hatte sie bereits in allen erdenklichen Stimmungen erlebt, er hatte sie glücklich gesehen, traurig, entmutigt, entschieden, entschlossen und wütend, aber bis zu diesem Augenblick hatte er nie das Gefühl gehabt, dass ihr Zorn so bewusst und unmittelbar gegen ihn gerichtet war.
Und dann schoss ihm plötzlich ein Bild von ihr durch den Kopf, als sie, vor langer Zeit, schon einmal von unbarmherzigem Zorn erfüllt gewesen war, aber er konnte es sich in diesem Moment nicht leisten, sich von solchen Erinnerungen ablenken zu lassen, deshalb verbannte er sie aus seinem Verstand. Hier ging es um Kahlan, um die Zukunft, nicht um die Vergangenheit.
Richard streifte den Waffengurt über den Kopf und raffte ihn mit der Scheide in einer Hand zusammen. Samuel, der sich in der sicheren Nähe der Rockschöße seiner Herrin hielt, verfolgte wortlos das Geschehen, die gierigen Augen auf den mit Draht umwickelten Griff geheftet.
Richard nahm die glänzende, aus Gold und Silber gearbeitete Scheide mit beiden Händen und reichte sie, zusammen mit dem Waffengurt aus geprägtem Leder, Shota. Im ersten Moment machte sie Anstalten, es entgegenzunehmen, aber dann ging ein triumphierendes Lächeln über ihre Lippen. »Das Schwert gehört Samuel, meinem treuen Gefährten. Übergib es ihm.«
Wie versteinert stand Richard da. Er konnte Samuel unmöglich das Schwert der Wahrheit überlassen, vermutlich hatte er zu verdrängen versucht, was die Übergabe an Shota wirklich bedeutete.
»Aber es war doch dieses Schwert, das ihn so zugerichtet hat. Zedd meinte, die Magie des Schwertes hätte ihm das angetan und ihn zu dem gemacht, was er jetzt ist.«
»Und sobald er sein rechtmäßiges Eigentum zurückerhalten hat, wird er wieder der sein, der er einst war, bevor dein Großvater ihm das Schwert gestohlen hat.«
Richard kannte Samuels Charakter; er ahnte, dass ihm alles zuzutrauen war, Mord eingeschlossen. Einem Kerl seines Schlags konnte er unmöglich einen so gefährlichen Gegenstand wie das Schwert der Wahrheit aushändigen!
Zu viele Burschen wie Samuel hatten das Schwert bereits getragen, hatten sich darum geprügelt, es einander gestohlen, es an den Meistbietenden verhökert, der daraufhin ein Sucher geworden war, dessen Dienste gegen Bezahlung für jeden verabscheuungswürdigen Zweck zu haben waren, sofern er nur den Kaufpreis wieder einbrachte. Heimlich war es im Schutz der Dunkelheit von Hand zu Hand gewandert, für niedrige und gewalttätige Zwecke missbraucht worden. Als Zedd das Schwert schließlich wiederbeschafft hatte und es Richard übergab, war der Sucher längst zum Ziel von Spott und Verachtung geworden, ein Mann, der nur noch als Übeltäter galt, und obendrein als gefährlich.
Wenn er Samuel das Schwert aushändigte, würde dies alles wieder passieren, alles würde von vorn anfangen.
Tat er es hingegen nicht, dann hatte er keine Chance, die sehr viel größere Gefahr zu bannen, die der Welt drohte, keine Chance, Kahlan jemals wieder zu sehen. Obschon Kahlan ihm persönlich am meisten bedeutete, war er überzeugt, dass ihr Verschwinden eine weitaus rätselhaftere und unheilvollere Gefahr ankündigte, eine Gefahr von so diabolischem Ausmaß, dass er gar nicht darüber nachzudenken wagte.
Als Sucher war er der Wahrheit verpflichtet und nicht dem Schwert, das ihren Namen trug!
Zoll für Zoll, ohne die Augen von dem Schwert zu lassen, schob sich Samuel mit ausgestreckten Armen immer näher heran, die Handflächen wartend nach oben gedreht.
»Meins, gib her«, knurrte er ungeduldig, ein hasserfülltes Funkeln in den Augen.
Richard hob den Kopf und betrachtete Shota. Diese verschränkte die Arme, als wollte sie andeuten, dass dies seine letzte Chance war, seine letzte Chance, jemals die Wahrheit zu erfahren.
Hätte er einen anderen Weg gewusst, zu einer Lösung zu gelangen, ganz gleich, wie vage die Erfolgsaussichten auch sein mochten, er hätte das Schwert in diesem Moment wieder an sich genommen und es riskiert. Aber er durfte diese Chance nicht vertun, durfte die Hinweise, die Shota für ihn hatte, nicht aufs Spiel setzen.
Mit zitternden Händen streckte Richard ihm das Schwert entgegen.
Samuel, nicht gewillt, noch eine
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