Das Schwert der Wahrheit 9: Die Magie der Erinnerung (German Edition)
des düsteren Vorraums. Zedd machte eine beiläufige Handbewegung zur Seite hin, und schon erstrahlte eine Lampe, bei deren Entzünden Nicci das kurze nochmalige Aufflackern jenes Energiefunkens bemerkte, der sie als Schlüssellampe auswies. Gleichzeitig zu beiden Seiten des Eingangs beginnend, folgte eine Reihe leiser, gedämpfter Explosionen, als der magische Funke von der Schlüssellampe auf die Lampenpaare übersprang und hunderte von Lampen rings um den riesigen Raum jeweils paarweise aufleuchteten, sodass der Eindruck entstand, ein Feuerring schließe sich in Sekundenschnelle rings um die gesamte Eingangshalle. Wäre die eine spezielle Lampe mit einer Flamme statt mit Magie entzündet worden, es hätte genauso funktioniert, das wusste Nicci. Die Helligkeit im Raum nahm immer mehr zu, und Sekunden später war der Vorraum nahezu taghell erleuchtet.
In der Mitte des gefliesten Fußbodens stand ein kleeblattförmiger Brunnen, über dessen oberster Schale eine Fontäne in die Höhe schoss, um von dort kaskadenartig über mehrere Stufen immer breiter werdender, muschelartiger Schalen herabzustürzen, ehe sie sich aus der untersten in perfekt aufeinander abgestimmten Bögen in das darunter liegende Becken ergoss, das von einer niedrigen Mauer aus buntem Marmor umgeben war, breit genug, um als Sitzbank zu dienen.
Ganz im Widerspruch zu dem ersten Eindruck, den die Burg der Zauberer vermittelte, bildete dieser Saal den von eleganter Pracht und Herzlichkeit geprägten Eingang eines Gebäudes, das nur von außen kalt und abweisend wirkte, und erinnerte an das Leben, das dieses Gemäuer einst beherbergt hatte. Die Leere, die jetzt dort herrschte, stimmte Nicci ziemlich traurig, nicht anders als im Fall der verlassenen Stadt tief unten im Tal.
»Willkommen in der Burg der Zauberer. Vielleicht sollten wir alle erst einmal …«
»Zedd!« Richard fiel seinem Großvater mit unüberhörbarem Unmut ins Wort. »Ich muss dich dringend sprechen. Jetzt gleich, es ist wichtig.«
Geliebter Großvater hin oder her, Nicci konnte sehen, dass Richard mit seiner Geduld am Ende war. Die Knöchel seiner zu Fäusten geballten Hände traten deutlich sichtbar unter seiner sonnengebräunten Haut hervor, ebenso die Sehnen auf dem Handrücken. Nach seinem Aussehen zu urteilen, hatte er in den letzten Tagen weder ausreichend Schlaf noch genug zu essen bekommen. Vermutlich hatte sie ihn noch nie so erschöpft und am Ende seiner geistigen Fähigkeiten erlebt. Selbst Cara schien die Grenze dessen, was sie zu ertragen vermochte, weit überschritten zu haben, auch wenn sie sich alle Mühe gab, es sich nicht anmerken zu lassen; Mord-Sith waren schließlich darin ausgebildet, körperliches Unbehagen auszuhalten. Sosehr er sich über das Wiedersehen mit seinem Großvater freute, war Richard doch von seinen Bestrebungen, diese Frau aus seiner Fantasie wieder zu finden, sehr stark in Anspruch genommen. Die irrwitzige Hatz, in die sich sein Leben seit dem beinahe tödlichen Treffer durch den Armbrustbolzen verwandelt hatte, schien in diesem Moment ihren Höhepunkt erreicht zu haben.
Zedd, ganz naive Unschuld, musterte ihn überrascht. »Aber ja, gewiss, Richard, selbstverständlich.« Die Arme ausgebreitet, setzte er mit milder Stimme hinzu. »Du weißt doch, dass ich jederzeit für dich zu sprechen bin. Was immer du auf dem Herzen hast, du weißt, ich …«
»Was verbirgt sich hinter dem Begriff ›Feuerkette‹?«
Zedd verharrte regungslos auf der Stelle. »Feuerkette«, wiederholte er mit ausdrucksloser Stimme.
»Richtig, Feuerkette.«
Zedd wandte sich herum zum Brunnen und dachte mit ernster Miene sorgfältig über die Frage nach. Das Warten wurde fast zur körperlichen Qual; das Sprudeln und Plätschern des Brunnens hallte durch den ansonsten völlig stillen Raum.
»Feuerkette«, wiederholte Zedd gedehnt bei sich, während er sich mit seinem zweigdürren Finger über das glatt rasierte Kinn strich, den Blick auf die munter über die in mehreren Stufen angeordneten Schalen herabstürzenden Wasserkaskaden gerichtet. Nicci warf einen verstohlenen Seitenblick auf Cara, doch die Mord-Sith zeigte keinerlei Regung. Ihr ausgezehrtes Gesicht wirkte ebenso müde und ausgezehrt wie Richards, trotzdem bewahrte sie, ganz Cara, ihre aufrechte gerade Haltung, ohne sich von ihrer Erschöpfung übermannen zu lassen.
»Ganz recht, Feuerkette«, presste Richard ungeduldig zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Weißt du, was es bedeutet?«
Zedd wandte
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