Das Schwert der Wahrheit 9: Die Magie der Erinnerung (German Edition)
ihre Stelle war ernsthafte Besorgnis getreten. »Ich weiß beim besten Willen nicht, was mit dir nicht stimmt, Richard, aber das ist einfach …«
»Ihr beide brachtet euch in Sicherheit, aber nicht, ohne mir auf dem Grabstein eine Botschaft zu hinterlassen«, fuhr Richard unbeirrt fort und stieß Zedd einen Finger gegen die Brust. »Damit ich wusste, dass sie in Wahrheit noch am Leben war, damit ich nicht verzweifelte und womöglich aufgab. Fast hätte ich es getan, doch dann bin ich euch auf die Schliche gekommen.«
Zedd konnte kaum noch an sich halten vor Ungeduld und Sorge – ein Gefühl, das Nicci nur zu vertraut war.
»Verdammt, Junge, von welcher Botschaft redest du?«
»Die Worte auf dem Grabstein, die Inschrift. Sie waren eine an mich gerichtete Botschaft.«
Zedd stemmte die Fäuste in die Hüften. »Was redest du da? Was denn für eine Botschaft?«
Richard begann auf und ab zu gehen, die Fingerspitzen an die Schläfen gepresst, während er sich offenbar, leise vor sich hin murmelnd, auf den exakten Wortlaut zu besinnen versuchte.
Oder, vermutete Nicci, ihn sich ebenso zusammenzufantasieren, wie er sich all seine Antworten zusammenfantasierte, um nicht der Wahrheit ins Gesicht sehen zu müssen. Diesmal war er im Begriff, einen Fehler zu begehen, der ihm endgültig zum Verhängnis werden würde, dessen war sie sich sicher. Die Wirklichkeit war ihm bereits erdrückend nahe gerückt, auch wenn er sich dessen noch nicht bewusst sein mochte. Aber das würde sich bald ändern.
»Nicht dort«, murmelte er nach einer Weile. »Irgendwie ging es darum, dass sie nicht dort liegt. Und außerdem war von meinem Herzen die Rede.«
Unvermittelt hielt Richard inne. »Nein, nicht von meinem Herzen war die Rede, das war es nicht, was dort stand. Der Gedenkstein war ziemlich groß. Jetzt weiß ich wieder, wie die Inschrift lautete: ›Kahlan Amnell. Mutter Konfessor. Sie ruht nicht hier, sondern in den Herzen derer, die sie lieben.‹ Das war eine an mich gerichtete Botschaft, die Hoffnung nicht aufzugeben, weil sie in Wahrheit gar nicht tot war – und auch nicht dort in diesem Grab lag.«
Zedd versuchte es mit sanftem Zureden. »Richard, es ist durchaus gebräuchliche Praxis, auf einen Grabstein zu schreiben, dass jemand nicht tot ist, sondern in den Herzen derer fortlebt, die ihn lieben. Grabsteine, die aus dieser Empfindung heraus bestellt werden und die exakt diese eingemeißelten Worten tragen, liegen vermutlich zuhauf bei den Totengräbern herum.«
»Aber sie ist dort nicht begraben worden, ganz sicher nicht! Die Zeile, ›Sie liegt nicht hier‹, steht dort aus einem ganz bestimmten Grund.«
»Und wer wurde dann in ihrem Grab beigesetzt?«, fragte Zedd.
Für einen Augenblick verstummte Richard.
»Niemand«, antwortete er schließlich und richtete den Blick in die Ferne, um nachzudenken. »Madame Sanderholt – die Köchin im Palast – hatte sich wie alle anderen von deinem Todeszauber täuschen lassen. Als ich schließlich hier eintraf, erzählte sie mir, du hättest bei Kahlans Enthauptung auf der Plattform des Schafotts gestanden. Zu diesem Zeitpunkt war sie noch in tiefer Trauer deswegen und in einem schrecklich verwirrten Zustand – aber dann wurde mir klar, dass du so etwas niemals tun würdest, dass es sich nur um einen deiner Tricks handeln konnte. Weißt du noch, wie du mir selbst erzählt hast, ein einfacher Trick sei mitunter die beste Magie?«
Zedd nickte. »In dem Punkt gebe ich dir Recht.«
»Weiter berichtete mir Madame Sanderholt, Kahlans Leichnam sei anschließend unter der persönlichen Aufsicht des Obersten Zauberers auf einem Scheiterhaufen verbrannt und ihre Asche später unter besagtem riesigem Steinmonument beigesetzt worden. Sie hat mich sogar bis zu dem einsam gelegenen Friedhof außerhalb des Palasts geführt, wo die Konfessorinnen begraben liegen, und mir die Grabstätte gezeigt. Ich war entsetzt, denn im ersten Moment dachte ich, sie läge tatsächlich dort und sei tot, bis ich dahinterkam, was die in den Stein eingemeißelte Inschrift zu bedeuten hatte – die Botschaft, die ihr beide für mich dort zurückgelassen hattet.«
Er fasste seinen Großvater abermals bei den Schultern. »Begreifst du nicht? Es war ein Ablenkungsmanöver, um unsere Feinde von ihrer Fährte abzubringen. In Wahrheit war sie weder tot, noch ist sie dort jemals beigesetzt worden. Außer vielleicht ein paar Ascheresten liegt dort überhaupt nichts begraben.«
»Mit anderen Worten, du warst dort?«,
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