Das Schwert der Wahrheit 9: Die Magie der Erinnerung (German Edition)
dass jemand die Straße heraufkommt, und da dachte ich, Ihr solltet Bescheid wissen. Eins sag ich Euch, ich kriege noch eine Gänsehaut von all der Magie, die an diesem Ort umherschwirrt.«
»Ich werde Richard holen gehen.«
Rikka nickte, dann verschwand sie wieder durch die Tür. Nicci stellte das Buch, in dem sie gelesen hatte – einen zähen Bericht über die Vorgänge in der Burg der Zauberer während des Großen Krieges -, wieder zurück an seinen Platz in den endlosen Reihen der Mahagoniregale, welche die ruhige Bibliothek füllten. Sie fand es ziemlich seltsam, über all die Menschen zu lesen, die die Burg der Zauberer einst, vor tausenden von Jahren, bevölkert hatten. Die Geschichte als solche erschien ihr völlig unzusammenhängend, es sei denn, sie machte sich ab und an bewusst, dass diese Leute von jenem Ort sprachen, an dem sie sich in diesem Moment befand.
Eigentlich interessierte sie sich gar nicht sonderlich für das Buch, in dem sie gelesen hatte. Sie fand es langweilig, aber das war ihr egal, zumal es ihr ohnehin nur als Zeitvertreib diente. Sie konnte sich einfach nicht überwinden, sich auf etwas zu konzentrieren, das sie ganz in Anspruch nahm oder von ihr größere geistige Anstrengungen verlangte, dafür war sie mit ihren Gedanken viel zu sehr woanders.
Aus dem Neumond – zu dem Zeitpunkt, als sie das Grab der Mutter Konfessor geöffnet hatten – war mittlerweile ein Vollmond geworden, der sich bereits wieder seinem letzten Viertel näherte, und noch immer hatte sich so gut wie nichts verändert. Wenige Tage nach der Exhumierung der Leiche hatte Zedd Richard versichert, dass er ihn noch immer liebe und es ihm Leid tue, so grob zu ihm gewesen zu sein, wo er sich vielleicht besser erst hätte informieren sollen, ehe er sich zu seinen Bemerkungen hinreißen ließ. Er hatte versprochen, es werde sich gewiss ein Weg finden, Richards Schwert zurückzubekommen, und alles werde sich fügen.
Das mochte aufrichtig gemeint gewesen sein, es mochte sogar zutreffen, trotzdem war der Schmerz dieses ganz persönlichen Versagens für Richard nur schwer ungeschehen zu machen. Nicht nur, dass er seinen Großvater enttäuscht und verärgert hatte, er hatte auch nicht den Beweis liefern können, dass sein Fantasiegebilde tatsächlich der Wahrheit entsprach, und das, obwohl er alles auf eine Karte gesetzt hatte. Er war sich seiner Sache so sicher gewesen und hatte am Ende doch nur den Beweis geliefert, dass er sich irrte.
Zedds Entschuldigung hatte er nur mit einem Nicken quittiert. Nicci bezweifelte, dass es für ihn eine große Rolle spielte, ob sich Zedd im Nachhinein etwas nachgiebiger zeigte. Er war am Ende seiner Vorstellungen, seiner Hoffnungen und Bestrebungen angelangt, und alles war umsonst gewesen. Nach jener Nacht hatte ihn aller Lebensmut verlassen.
Gleich in der ersten Nacht hatte Zedd Cara und Nicci stundenlang ausgefragt. Für Nicci war es ein Schock gewesen, von Cara zu erfahren, Shota habe behauptet, die Bestie habe sich in eine Blutbestie verwandelt, weil sie, Nicci, ihr versehentlich eine Kostprobe von Richards Ahnenblut überlassen habe. Mit Entsetzen hatte sie vernommen, dass sich die Gefahr für Richard durch ihr Verschulden angeblich sogar noch verschärft hatte.
Nicht zuletzt das hatte Nicci das Gefühl ziemlicher Hoffnungslosigkeit – und Hilflosigkeit – gegeben. Die Imperiale Ordnung wütete ungehindert durch die Neue Welt, die Bestie machte Jagd auf Richard, und er war, gelinde gesagt, bestenfalls ein Schatten seiner selbst.
Die langen Tage seit der Öffnung des Grabes, als er auf die bittere Wahrheit gestoßen war, hatte Richard meist abgeschieden für sich verbracht – die einzige Ausnahme war Cara, die sich, nachdem sie Zedds ermüdende Fragen über alles, was sie über das Geschehen bei Shota wusste, beantwortet hatte, schlicht weigerte, von Richards Seite zu weichen, aus welchem Grund auch immer. Und da Richard nicht in der Stimmung war, mit irgendjemandem zu sprechen, war sie zu seinem stummen Schatten geworden.
Es war seltsam, die beiden selbst in solchen Zeiten völlig ungezwungen miteinander umgehen zu sehen. Nicci hatte nicht den Eindruck, dass die beiden überhaupt miteinander sprechen mussten, um sich – mit einem Blick, einem kaum merklichen Achselzucken oder bisweilen auch ohne jeden Austausch – jederzeit zu verstehen.
Angesichts seines Elends fühlte sich Nicci wie eine unwillkommene Außenseiterin, also ließ sie ihn in Ruhe. Sie hielt sich, so gut es
Weitere Kostenlose Bücher