Das Schwert der Wahrheit 9: Die Magie der Erinnerung (German Edition)
bestimmt nicht einfach nur auf eine Tasse Milch und ein Stück Kuchen vorbeischauen.«
Richards einzige Reaktion auf ihren Versuch, komisch zu sein, war ein einseitiges Schulterzucken. »Darum soll Zedd sich kümmern.«
Wie sehr vermisste sie den klaren Blick in seinen Augen! Sie war mit ihrer Geduld am Ende, die Situation wurde unerträglich. Mit einem Seitenblick auf die Mord-Sith sagte sie ruhig, gleichwohl in unmissverständlich gebieterischem Ton: »Cara, warum vertretet Ihr Euch nicht ein wenig die Beine? Bitte.«
Cara, überrascht über Niccis ungewöhnliche, aber klare Anweisung, besah sich kurz den vor der Maueröffnung stehenden Richard, dann nickte sie ihr verschwörerisch zu. Nicci sah ihr hinterher, wie sie den Wehrgang verließ, ehe sie erneut das Wort an Richard richtete, diesmal allerdings geradeaus und ohne Umschweife.
»Das muss endlich ein Ende haben, Richard.«
Der hüllte sich in Schweigen, den Blick über die weite, sich unten ausbreitende Landschaft gerichtet.
Sie legte eine Hand auf die steinerne Zinne, sodass er sie unmöglich übersehen konnte, und schlug einen beherzteren Ton an: »Oder hast du es etwa aufgegeben, für deine Überzeugungen zu kämpfen?«
»Das Kämpfen überlasse ich anderen.« Es war nicht Verzweiflung, die aus seiner Stimme sprach, sie klang, als hätte er sich endgültig aufgegeben.
»Das habe ich nicht gemeint.« Nicci fasste seinen Arm und drehte ihn sanft, aber bestimmt zu sich herum, drehte ihn fort von dem Abgrund und zwang ihn, ihr in die Augen zu sehen. »Hast du etwa nicht die Absicht, dich zu wehren?«
Er erwiderte ihren Blick, antwortete aber nicht.
»Und an allem ist Zedds Behauptung schuld, er sei von dir enttäuscht.«
»Ich denke eher, das Grab, das ich geöffnet habe, könnte ein wenig damit zu tun haben.«
»Du magst das vielleicht denken, aber ich nicht. Warum sollte es? Du bist auch früher schon am Boden zerstört gewesen und hast schwere Rückschläge hinnehmen müssen. Ich habe dich gefangen genommen und in die Alte Welt verschleppt, und was hast du getan? Du hast dich gewehrt und bist, ganz wie es deine Art ist, für deine Überzeugungen eingetreten – innerhalb der Grenzen dessen, was ich dir zugestanden habe. Indem du der warst, der du bist, hast du deine Liebe für das Leben bewiesen, und das hat mein Leben von Grund auf verändert. Du hast mir wahre Lebensfreude gezeigt und alles, was sie bedeutet.
Diesmal bist du, dem Tod knapp entronnen, wieder aufgewacht, nur um festzustellen, dass weder ich noch Cara oder sonst jemand dir deine Erinnerung an Kahlan abnimmt, aber nicht einmal das konnte dich aufhalten. Was immer wir auch vorgebracht haben, du bist nach wie vor für deine Überzeugungen eingetreten.«
»Was in diesem Sarg lag, ist etwas ganz anderes und hat, würde ich sagen, etwas mehr Gewicht als ein harmloser Streit, weil jemand einem nicht glaubt.«
»Ist es das? Ich denke nicht. Es war ein Skelett. Na und?«
»Na und?« Verdruss schlich sich in seine Züge. »Habt Ihr den Verstand verloren? Was soll das heißen ›na und‹?«
»Es liegt mir wahrlich fern, für deine Sicht der Dinge einzutreten, obwohl ich nicht an sie glaube, aber ich möchte dich auch nicht von einer Wahrheit überzeugen, für die es meiner Meinung nach keine Beweise gibt. Ich will dich mit echten Fakten überzeugen, nicht mit solch fadenscheinigen Belegen.«
»Was wollt Ihr damit sagen?«
»Nun, hast du etwa, zum Beweis, dass es sich tatsächlich um sie handelt, Kahlans Gesicht gesehen? Nein, das wäre auch schlecht möglich gewesen, da kein Gesicht mehr vorhanden war, sondern nur ein Schädel – ohne Gesicht, Augen oder sonstige Merkmale. Das Skelett trug das Kleid der Mutter Konfessor. Und wenn schon? Ich war im Palast der Konfessoren; dort gibt es unzählige Kleider wie dieses.
Oder reicht dir etwa ein auf ein goldenes Band gestickter Name als Beweis? Als hinreichender Beweis, um deine Suche zu beenden, deine Überzeugungen aufzugeben? Nach all den Gesprächen mit Cara und mir, nach all den Auseinandersetzungen und dem guten Zureden hast du auf einmal das Gefühl, dass dieser fadenscheinige Beleg deine Selbsttäuschung beweist? Ein Skelett in einem Sarg mit einem auf ein Band gestickten Namen in den Händen genügt dir, um dich plötzlich davon zu überzeugen, dass du diese Frau nur zusammenfantasiert hast, so wie wir es dir von Anfang an beizubringen versucht haben, obwohl du nichts davon wissen wolltest? Findest du nicht, dass dieses
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