PR TB 015 Ich, Rhodans Mörder
28. Januar
Ich hätte mir denken können, daß ein Schiff mit
dem seltsamen Namen TEEKANNE nur Unglück bringen kann, aber ich
war so in den Anblick des langbeinigen Mädchens versunken, das
vor mir den Landesteg hinaufschritt, daß ich selbst einen Namen
wie HÖLLENDAMPFER mit romantischer Verklärtheit gelesen
hätte.
„Halt!” rief mir der Zahlmeister am unteren Ende des
Landestegs zu.
Er hatte einen kleinen Tisch aufgestellt und alle darauf liegenden
Papiere mit Erzbrocken beschwert, damit sie nicht vom Wind
davongeweht wurden.
Ich blickte ihn an. Er war ein rothaariger Mann, mit faltigem
Gesicht und so dünnen Ohren, daß sie durchsichtig
erschienen. Ich deutete auf das Mädchen.
„Wer ist das?” erkundigte ich mich, während sie
durch die Schleuse verschwand.
Wenn er überhaupt jemals Gefühle entwickelt hatte, so
waren sie in der Kälte dieses Tages eingefroren.
„Ich bin nicht befugt, Auskünfte über andere
Passagiere zu erteilen”, erklärte er frostig.
„Geben Sie mir die Passagierliste”, forderte ich.
Er wühlte in den Papieren, die vor ihm lagen und fischte
schließlich mit einem befriedigenden Knurren ein gelbes Blatt
heraus. Ich nahm es entgegen und überflog die aufgeführten
Namen. „Clarriss De Farton”, murmelte ich. „Das muß
sie sein. Sie hatte einen Koffer mit aufgedrucktem Wappen, nicht
wahr?” Der Zahlmeister nahm mir die Liste aus den Händen.
„Ich betrachte mir die Koffer der Passagiere nicht”,
behauptete er. „Sagen Sie mir jetzt, wer Sie sind.” „Dunn
Beynon”, sagte ich. „Kolonist für Gelton im
Santey-System.” Er suchte nach meiner Akte und fand sie in
überraschend kurzer Zeit.
„Aha!” stieß er hervor. „Der
Versicherungsschwindler!” Er las mit offensichtlichem Vergnügen
weiter.
„Zweieinhalb Jahre Strafarbeit in den Dolp-Werken”,
zitierte er. „Ruscon wird sich über einen solchen
Passagier freuen.” „Wer ist Ruscon?” erkundigte ich
mich.
„Der Kapitän”, erklärte er.
„Kann ich an Bord?” fragte ich.
Zum erstenmal blickte er mich voll an.
„Ich habe etwas gegen Banditen wie Sie, Beynon”, sagte
er. „Ich bin dagegen, daß man Männer wie Sie auf
jungfräuliche Planeten losläßt.” „Ich
schreibe mir das in mein Poesiealbum”, versprach ich.
Er schob meine Akte unter die anderen.
„Lassen Sie die anderen Passagiere in Ruhe”, warnte
er. „Wenn Sie Ärger machen, erreichen Sie Gelton nie.”
Wir starrten uns einen Augenblick an, dann ging ich langsam den
Landesteg hinauf. Es war mir klar, daß der Zahlmeister der
TEEKANNE nicht zu meinen Freunden gehörte. In diesem Augenblick
war mir das allerdings gleichgültig.
Als ich die Schleuse betrat, hörte ich jemand brüllen.
Gleich darauf stürmte ein verwildert aussehender Mann in
Begleitung eines Uniformierten auf mich zu. Das verwahrloste
Individuum war mindestens 1,90 Meter groß und unglaublich dick.
Aus seinem Mund ergoß sich ein Schwall wütender Flüche,
wie ich sie selbst in den Dolp-Werken nie zu Gehör bekommen
hatte.
„Von Stümpern bin ich umgeben”, schrie der Riese.
„Von Nichtskönnern und armseligen Tröpfen.” Ich
wunderte mich, daß der Uniformierte die Beschimpfung mit
stoischem Gleichmut über sich ergehen ließ. Ich mußte
stehenbleiben, denn die beiden Männer versperrten mit ihrer
Körperfülle den Ausgang.
„Sie haben eine Stunde Zeit, den richtigen Blumensamen an
Bord zu schaffen, Dellman”, dröhnte der Mann, der wie ein
Landstreicher aussah. „Wenn es Ihnen nicht gelingt, sind Sie
entlassen.” Der Riese warf sich herum und verschwand in dem
langen Gang, der hinter der Schleuse ins Innere des Schiffes führte.
Dellman lächelte mich an.
„Wer um Himmels willen, ist das?” stöhnte ich.
Der Uniformierte musterte mich mitleidig. „Sind Sie einer
der Passagiere?” Ich nickte erwartungsvoll.
„Dieser Mann”, eröffnete mir Dellman, „war
Kapitän Ruscon ” „Droht er immer gleich mit
Kündigung?” Dellman grinste. „Ich war bereits
sechsundzwanzigmal entlassen”, berichtete er. „Einmal ist
Ruscon ohne mich zum Wega-Sektor geflogen. Nach seiner Rückkehr
hat er mich wieder eingestellt.” „Kann ich Ihnen bei der
Beschaffung dieses Blumensamens helfen?” erkundigte ich mich.
Es konnte nichts schaden, wenn Dellman auf meiner Seite war, nachdem
der Zahlmeister mir offen seine Feindschaft gezeigt hatte.
„Ruscon besitzt zwei Kabinen”, erklärte Dellman.
„In einer lebt er, in der anderen züchtet er
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