Das Schwert der Wahrheit 9: Die Magie der Erinnerung (German Edition)
Gesicht.
»Ich denke, wir sollten jetzt besser ein wenig zu schlafen versuchen«, sagte er.
Nicci zog ihre Hand zurück und schmiegte ihren Kopf an seinen Arm.
Es war, als könnte er sich nicht überwinden, im Dunkeln seine brennenden Augen zu schließen. Kurz darauf vernahm er Caras gleichmäßigen Atem. »Nicci?«, flüsterte er.
»Ja?«
»Was sind das für Foltermethoden, die Jagang bei seinen Gefangenen anwendet?«
Er hörte Nicci tief Luft holen und diese langsam wieder ausstoßen. »Ich werde mich hüten, dir diese Frage zu beantworten, Richard. Aber dir dürfte jenseits allen Zweifels klar sein, dass Jagang ein Mann ist, der das Töten braucht.«
Richard hatte diese Frage stellen müssen. Zu seiner Erleichterung besaß Nicci genug Taktgefühl, ihm keine Antwort darauf zu geben.
»Ich kann dir gar nicht sagen«, fuhr Nicci fort, »wie oft ich mir schon gewünscht habe, ich hätte ihn getötet, als ich die Gelegenheit dazu hatte, auch wenn du Recht hast, dass der Krieg damit noch nicht beendet wäre. Ich wünschte, ich könnte aufhören, mir die vielen verpassten Gelegenheiten vorzuwerfen und über all die Dinge nachzudenken, die ich hätte tun sollen.«
Richard legte den Arm um sie und hielt ihre bebenden Schultern.
Nach einer Weile fühlte er die Anspannung aus ihren Muskeln weichen. Schließlich wurde ihr Atem ruhiger, und sie schlief allmählich ein.
Wenn er Kahlan wiederfinden wollte, musste er dafür sorgen, dass auch er den dringend benötigten Schlaf bekam. Er hatte kaum die Augen geschlossen, da quoll eine weitere Träne hervor. Er vermisste seine geliebte Gemahlin so sehr.
Seine Gedanken wanderten noch einmal zu dem Tag zurück, an dem er Kahlan zum ersten Mal gesehen hatte, in ihrem weißen, fließenden Seidenkleid, das sie, wie er erst viel später herausfinden sollte, als Mutter Konfessor auswies. Er erinnerte sich, wie er in ihre wunderschönen grünen Augen geschaut hatte, aus denen ihm ihre leuchtende Intelligenz entgegenblickte, und dass es ihm vom allerersten Augenblick, von diesem allerersten Blickkontakt an so vorgekommen war, als hätte er sie schon immer gekannt.
Er erklärte ihr, dass sie von vier Männern verfolgt wurde, worauf sie schlicht fragte: »Möchtest du mir helfen?«
Und noch bevor er einen klaren Gedanken fassen konnte, hörte er sich die Frage bejahen.
Niemals, nicht einen einzigen Moment lang, hatte er diese Entscheidung bereut.
Jetzt brauchte sie wieder seine Hilfe!
Seine letzten Gedanken, ehe er in einen unruhigen Schlaf hinüberglitt, galten Kahlan.
9
Mit hastigen Bewegungen hängte Ann die primitive Blechlaterne draußen vor der Tür an den Haken und ballte ihr Han zu einem Hitzekern zusammen, bis dieser über ihrer Hand zu einer kleinen Flamme aufloderte. Dann trat sie in die winzige Kammer und hielt die zuckende Flamme an den Docht einer auf dem Tisch stehenden Kerze. Nachdem diese Feuer gefangen hatte, schloss sie die Tür.
Es war schon eine Weile her, dass sie in ihrem Reisebuch eine Nachricht erhalten hatte, daher konnte sie es kaum erwarten, endlich einen Blick hineinzuwerfen.
Die Kammer war karg, die schmucklosen, verputzten Wände fensterlos. Ein kleiner Tisch sowie ein hölzerner Stuhl mit gerader Lehne, den man auf ihre Bitte hereingebracht hatte, nahm fast den gesamten nicht vom Bett beanspruchten Platz ein. Die Kammer diente ihr nicht nur als Schlafraum, sondern bildete auch ein gebührendes Sanktuarium, einen Ort, wo sie allein sein, wo sie nachdenken, meditieren und beten konnte. Außerdem bot sie ihr die nötige Ungestörtheit, wenn sie ihr Reisebuch benutzte.
Auf dem Tisch wartete ein kleiner Teller mit Käse und geschnittenem Obst auf sie, den wahrscheinlich Jennsen dort zurückgelassen hatte, ehe sie mit Tom den Mond bewundern gegangen war.
Trotz ihres mittlerweile fortgeschrittenen Alters erfüllte es Ann noch immer mit einem Gefühl heiterer Zufriedenheit, wenn sie den verliebten Ausdruck in den Augen eines Paares sah. Diese jungen Leute schienen stets in dem Glauben zu sein, es gelänge ihnen tatsächlich, ihre Gefühle vor anderen zu verbergen, dabei war ihr Benehmen für gewöhnlich so augenfällig, dass es ihnen ebenso gut in großen Lettern auf die Stirn hätte geschrieben sein können.
Manchmal, in stillen Augenblicken, bedauerte Ann, dass ihr diese Zeit unumschränkter, argloser und überschwänglicher gegenseitiger Zuneigung mit Nathan nie vergönnt gewesen war. Andererseits geziemte es einer Prälatin nicht, offen
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