Das Schwert des Königs: Roman (German Edition)
gestrandeten Barsches. »Mir bleibt… alle Zeit deines Lebens … um es dir heimzuzahlen.«
Ich blickte auf das Herz und danach auf den Mann, der jetzt ohne dieses Herz lebte. Zum ersten Mal in dieser ganzen widerlichen Geschichte war ich mir völlig sicher, dass ich richtig gehandelt hatte. »Weißt du noch, was du mir über Informationen gesagt hast? Du hast ein bisschen zu viel ausgeplaudert. Hast mir nämlich verraten, wie man dir das Leben nehmen kann.«
Sein Rücken bog sich durch, sodass aus der klaffenden Wunde in seiner Brust Blut schoss. »Du … kannst mich nicht töten, du … Arschloch !«, zischte er durch die zusammengebissenen Zähne.
»Da hast du recht.« Ich war zwar über und über mit Blut besudelt, doch innerlich sehr ruhig, denn mir war
jetzt absolut klar, was ich tun musste. »Und das habe ich auch gar nicht vor«, setzte ich nach.
Ich knebelte ihn, wickelte ihn in eine Decke, die ich mit einem Seil verschnürte, und begrub ihn in der Mitte seines Irrgartens. Seine Gegenwehr und die Flüche wurden zwar schwächer, aber er gab noch längst nicht auf. Als ich den letzten Spaten mit Erde auf ihn warf, meinte ich, immer noch seine erstickte Stimme zu vernehmen. Sorgfältig deckte ich das Grab mit Grassoden ab, klopfte sie fest und verwischte alle Spuren meines Tuns. Danach hob ich ein weiteres Grab im Weinkeller des Zwergs aus, um jeden, der nach ihm suchte, auf eine falsche Fährte zu locken.
Soweit ich wusste, lag er immer noch unter der Erde seines Irrgartens, litt immer noch Höllenqualen und würde sich vermutlich irgendwann wie eine bleiche Larve aus dem Grab winden. Und ich hatte keine Zweifel daran, dass er seine Rachedrohung wahr machen würde, falls sich mein Plan als falsch erwies.
Rhiannon starrte auf das Herz von Andras Reese, das sie in den zitternden Händen hielt. »Es ist noch warm«, flüsterte sie.
»Ja. Und du musst es jetzt zerstören.«
Ihre Augen weiteten sich vor Schreck. »Was soll ich tun?«
»Zerquetsch es, reiß es auseinander, zerfetz es, mach es kaputt. Nur du kannst das tun; wenn nicht, wirst du niemals in Sicherheit sein.«
Sie schluckte schwer. »Wessen Herz ist das?«
»Das kann ich dir nicht sagen. Aber es gehört demjenigen,
der hinter all dem steckt, was dir zugestoßen ist. Du musst mir vertrauen, Rhiannon.«
Sie lächelte. »Das ist das erste Mal, dass du mich bei meinem Namen nennst.«
In der Ferne schien im Tunnelnetz der Stadtmauer eine Tür zuzuschlagen. »Uns bleibt nicht mehr viel Zeit.«
Sie nickte, biss sich auf die Lippen und quetschte das Organ mit der rechten Hand so kräftig, dass Blut zwischen ihren Fingern hervorquoll. Danach drehte sie es herum und zerrte mit finsterer Miene so lange an dem zähen Muskelgewebe, bis es schließlich aufriss. Sie musste sich so anstrengen, dass die Sehnen an ihren mageren Armen hervortraten und sie aufstöhnte. Ihr ganzer aufgestauter Zorn, die ganze Wut flossen in ihre Hände. Als sie mit aller Kraft die Herzkammer vom Vorhof löste, glitschte das Herz hin und her und hüpfte auf und ab. Jetzt riss sie Andras Reese buchstäblich in Stücke. Sie machte ihn kaputt, den starken Tunichtgut.
Schließlich lag das Herz in einzelnen Brocken, die schnell zu dunklen Klümpchen schrumpften, auf dem Boden. Als ich eines davon mit dem Stiefelabsatz zermalmte, zerfiel es sofort zu Staub. Ich hoffte nur, dass das auch für den Zwerg in seinem längst überfälligen Grab galt.
Nicht nur an Rhiannons Fingern klebte Blut: Einiges war auch auf die dünne Bettdecke und ihre nackten Schultern gespritzt. Mühsam rang sie nach Luft. Als sie die Hände hochstreckte und mich ansah, schimmerten Tränen in ihren Augen. »Wer bin ich?«, fragte sie leise. »Was bin ich?«
Eine Göttin , hätte ich am liebsten erwidert. Schon zweimal
zuvor hast du diese Welt besucht – zuerst in deiner wahren göttlichen Gestalt, danach als wirklicher Mensch, doch es ist nie gut ausgegangen. Jedes Mal bist du daran gescheitert, dass dein wahres Wesen dir gegenwärtig war. Bei deinem ersten Experiment hast du dir deinen größten Feind geschaffen; beim zweiten Versuch hat dich das Erlebnis, als Mensch aus Fleisch und Blut zu leben, wie aus heiterem Himmel getroffen und überwältigt. Doch diesmal hast du dich dazu entschlossen, deinen göttlichen Ursprung zu vergessen. Und deshalb erfährst du das, was den Menschen ausmacht, jetzt als eine von uns und lernst sowohl unsere edelsten als auch unsere niedersten Eigenschaften
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