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Das Schwert des Königs: Roman (German Edition)

Das Schwert des Königs: Roman (German Edition)

Titel: Das Schwert des Königs: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Bledsoe
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Besuchs bei Rhiannon auf dem Fenstersims gesessen hatten. Hatten sie zur selben Art gehört? Der Vogelart, die auch um Epona Graus Kate herumgeschwirrt war?
    Ich blieb auch den Rest des Vormittags auf dem Platz vor dem Stadttor, hielt mich im Hintergrund und beobachtete die Zuschauer. Die meisten beachteten Rhiannon gar nicht, wie auch sie keinen Anteil an ihnen nahm. Hin und wieder hob sie den Blick und verlagerte ihre Position, doch die meiste Zeit über hockte sie nur mit gesenktem Kopf da und rührte sich nicht.
    Schon bei unserer ersten Begegnung hatte mich ihre Ähnlichkeit mit Epona Grau verblüfft, doch jetzt war diese Ähnlichkeit geradezu unheimlich. Rhiannon hatte so sehr abgenommen, dass ihre früher umwerfenden Kurven verschwunden und einem eckigen, mageren Körper gewichen waren. Außerdem hustete sie immer wieder, was auf eine schwere Erkrankung hindeutete. Wie Epona war sie dem Tode geweiht. Doch im Unterschied zu Epona würde sie überleben, falls ich ihr rechtzeitig helfen konnte.
    Als kurz nach Mittag ein sommerliches Gewitter auf uns niederging, suchte sie nicht Schutz, sondern blieb im
strömenden Regen auf ihrem Schemel sitzen. Ich schloss daraus, dass sie das Wasser als Ersatz für ein Bad nutzte, das ihr sicher vorenthalten wurde. Außerdem sammelte sie das Wasser in den hohlen Händen und trank daraus. Danach hob sie den Kopf zum Himmel und ließ den Regen auf ihr Gesicht trommeln. In dem trüben Licht wirkte sie so bleich, als litte sie unter Blutarmut.
    Ich musste an Phil denken, der sich in seinem luxuriösen Palast verschanzte. Auch ohne ihn gesprochen zu haben, war mir klar, wie es ihm derzeit gehen musste. Sicher stand er genau wie Rhiannon Höllenqualen aus, weil er wusste, wie sehr seine Frau und sein Sohn litten, und nichts unternehmen konnte, um ihnen zu helfen – außer sich auf mich zu verlassen. Ausgerechnet auf den Mann, der den Tod seiner Schwester auf dem Gewissen hatte.
    Inzwischen hatte ich eine Erklärung dafür gefunden, dass die Frau im Käfig Epona Grau wie auch Rhiannon sein konnte. Falls ich recht hatte, war ich verdammt genial. Und falls nicht, lebte ich in einer kalten, herzlosen Welt, in der ich nicht länger verweilen wollte.
    In diesem Augenblick donnerte es so laut, dass Rhiannon zusammenfuhr.
    Bald würde ich es wissen.

SIEBENUNDZWANZIG
    F ünfzehn Minten«, sagte Anders.
    »Wir haben doch von zwanzig gesprochen!«
    »Tja, man kann in dieser Welt nicht alles haben.«
    Er drückte mir den Schlüssel zu Rhiannons Zelle in die Hand und ging zur Wachstation hinüber, um auf die beiden Wächter zu warten, die er soeben fortgeschickt hatte. Sie waren keineswegs erfreut darüber gewesen und hatten angekündigt, dass sie sich unverzüglich bei ihrem Vorgesetzten über ihn beschweren würden. Die Verkürzung meiner Besuchszeit um fünf Minuten war vermutlich dieser Drohung zu verdanken.
    Der in die Mauer eingelassene Raum hatte ursprünglich als Waffenkammer in Zeiten der Belagerung gedient, und die alten Regale, mittlerweile leer und verrostet, waren darin verblieben. Eine Pritsche bot jeweils einem der Wächter eine Schlafmöglichkeit, während der andere weiter Dienst tat. Ein Tisch zeugte davon, dass sie hier vor Kurzem Karten gespielt hatten. An einem Ende des Raums war eine neue Wand eingezogen worden, die jetzt die Kammer der Königin abtrennte.
    Abgesehen von der winzigen Klappe, durch die das Essen gereicht wurde, war die Zellentür nach Rhiannons Festnahme nicht mehr geöffnet worden. Es kostete mich
viel Mühe, den Schlüssel herumzudrehen, und die Verriegelung kreischte dabei wie eine rollige Katze. Von der Petroleumlampe im Vorraum drang ein Streifen gelblichen Lichts herüber.
    Rhiannon, die von dem Lärm erwacht war, setzte sich auf den Bettrand und wickelte sich in ihre Decke. Ihre zerlumpte Kleidung, vom Regen immer noch feucht, lag ordentlich zusammengefaltet auf dem kleinen Tisch. »Wer bist du?«, keuchte sie voller Angst. »Bitte! Hier drinnen soll sich doch niemand aufhalten!«
    »Stimmt.« Ich zündete eine Kerze an. »Und das müsste eigentlich auch für dich gelten.« Die Kammer roch nach Schweiß und Dreck – ein moderiger Gestank, der einem das unheimliche Gefühl gab, von Schimmel und Pilzen umgeben zu sein. Ich hielt die Kerze so, dass sie mein Gesicht sehen konnte.
    »LaCrosse?«, fragte sie verdutzt.
    »Wir haben nicht viel Zeit«, erwiderte ich, stellte die Kerze auf den Tisch und zog ihr die Decke weg. Als sie nicht loslassen und

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